von Manuel Kellner
Thomas E. Goes: Klassen im Kampf. Vorschläge für eine populare Linke. Köln: PapyRossa, 2019. 182 S., 14,90 Euro
In seinem neuen, lesenswerten Buch präzisiert Thomas Goes seine Vorstellungen zur strategischen Orientierung der sozialistischen und revolutionären Linken, die er zusammen mit Violetta Bock 2017 in Ein unanständiges Angebot? Mit linkem Populismus gegen Eliten und Rechte vorgestellt hatte.
Zunächst legt er dar, was unter Klassen, politischer Herrschaft, kultureller Vorherrschaft, Gesellschaftsformationen und Produktionsweisen zu verstehen ist. Er benennt als Teile der popularen Klassen das Kleinbürgertum und eine «lohnabhängige Zwischenklasse», schreibt vom herrschenden Block an der Macht und von der Internationalisierung der Klassenverhältnisse im Imperialismus. Er führt den Begriff des «Volks der Linken» in den deutschen Sprachgebrauch ein und plädiert für einen «sozialistischen Volksbegriff». Abschließend entwirft er seine Sicht einer «sozialistischen Klassenpolitik heute», die bei anderer Gelegenheit besprochen werden soll.
Seine Klassenanalyse von 2017 hatte ich u.a. mit Verweis darauf kritisiert, dass zumindest laut Marx die Frage der «produktiven» (Mehrwert schaffenden) oder der «unproduktiven» (nicht Mehrwert produzierenden) Arbeit kein Kriterium für die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zur Arbeiterklasse sein kann. Mit seinem neuen Buch hat Thomas Goes diese Meinungsverschiedenheit weitgehend aus der Welt geschafft:
«In ‹Ein unanständiges Angebot?› haben wir uns implizit auf eine Klassentheorie bezogen, die stark durch Nicos Poulantzas beeinflusst wird … Ich will aber vorwegschicken, um unnötige Missverständnisse zu vermeiden, dass ich in zwei wichtigen Punkten von Poulantzas’ Klassentheorie abweiche. Poulantzas bestimmt die Zugehörigkeit zur ArbeiterInnenklasse sehr eng darüber, ob (tausch)wertproduktive Arbeit geleistet wird. Ich gehe davon aus, dass alle ArbeiterInnen, die im Kreislauf des Kapitals beschäftigt werden und keine politische oder ideologische Herrschaft ausüben oder sichern, zur ArbeiterInnenklasse gehören: VerkäuferInnen ebenso wie Maschinenschlosser, PaketzustellerInnen ebenso wie kleine Bankangestellte oder Programmierer.»
Der zweite Unterschied zu Poulantzas besteht in einer wichtigen Nuance: Statt von einem «traditionellen» und einem «neuen lohnabhängigen Kleinbürgertum» spricht Thomas Goes lieber von «zwei unterschiedlichen Zwischenklassen», dem «traditionellen Kleinbürgertum» und einer «lohnabhängigen Zwischenklasse», «deren Gemeinsamkeit ‹nur› darin besteht, dass sie sich zwischen den beiden Hauptklassen bewegen».
Durch den Filter meiner eigenen Sprachsozialisation wirkt die Terminologie von Goes, soweit sie originell ist, ganz unterschiedlich auf mich, wenn ich ihre französischen Pendants mitdenke: Populare Klassen, populare Linke, Volk der Linken usw. – französisch klingt das alles ganz manierlich, deutsch sträuben sich mir dabei die Nackenhaare. Am meisten leuchtet mir die Idee «popularer» linker Politik in Abgrenzung zu elitären propagandistischen Diskursen ein, mit denen «normale Leute» nichts anfangen können.
Es ist allerdings ganz klar, dass Goes danach trachtet, der nationalistischen und völkischen Rechten den Volksbegriff zu entwinden und ihm jenen emanzipatorischen Gehalt wiederzugewinnen, den er mit den vorkapitalistischen Bauernaufständen und der Französischen Revolution erhalten hatte. Inwieweit das realistisch ist, müssen künftige Diskussionen klären.
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