von David Stein
Die Ankündigung von Facebook Ende Juni, im nächsten Jahr eine globale digitale Währung unter dem Namen Libra aufzulegen, macht Notenbanker und Finanzpolitiker weltweit nervös. Bei ihrem letzten Treffen im französischen Chantilly am 17. und 18.Juli äußerten die G7-Finanzminister allerdings nur Kritik und Besorgnis über den angekündigten Schritt von Facebook. Mehr war nicht.
Die G7-Finanzminister und Notenbankgouverneure waren sich darin einig, dass Libra mit erheblichen Risiken verbunden sein könnte. Einigkeit bestand auch darin, dass bestehende Regeln durch die digitale Währung nicht unterlaufen werden dürften; die höchsten Standards der Finanzregulierung müssten erfüllt werden. Die Finanzstabilität, der Anleger-und Verbraucherschutz sowie die Bekämpfung der Geldwäsche dürften nicht beeinträchtigt werden. Ein entschlossenes Reagieren verbunden mit der Ankündigung, dass Libra bereits aus währungspolitischen Gründen gestoppt und verboten werden müsse, falls Mark Zuckerberg seine Pläne weiterverfolgt, blieb jedoch aus.
Anderes war auch nicht zu erwarten. Dafür ist das neoliberale Denken in den Köpfen von Zentralbankern und Finanzministern viel zu stark verhaftet. Das hinter Libra steckende Modell stammt schließlich aus dem Instrumentenkasten des Paten aller Neoliberalen, des österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek. Hayek hatte das Konzept vom Wettbewerb der Währungen entwickelt. Sein Credo lautete, der Wettbewerb zwischen privaten Währungen und staatlichen (Zentralbanken-)Währungen werde gerade in Ländern mit Weichwährungen dazu führen, dass sich stabile Währungen durchsetzten.
Was plant Facebook?
Facebook will im Jahr 2020 in das Geschäft mit dem mobilen Zahlungsverkehr einsteigen, eine eigene elektronische Währung mit dem peppig-libertär klingenden Namen (Libra) ausgeben und möglicherweise selbst zum Zahlungsdienstleister werden, um damit Zugang auch zu sensiblen Zahlungsverkehrsdaten von Facebooknutzern zu bekommen, die der Datenkrake Facebook in ihrer Sammelwut bisher noch entzogen waren.
Der Tech-Konzern wurde im vergangenen Monat von der Federal Trade Commission (FTC) wegen Verstößen gegen Datenschutzregeln im Gefolge des Datendeals mit Cambridge Analytica mit einer Geldbuße von 5 Milliarden US-Dollar Strafe belegt. Eine solche Summe würde die meisten Unternehmen in den Ruin treiben. Für Facebook ist es ein Monatsumsatz. Die Datenkrake Facebook kann im übrigen so weitermachen wie bisher. Denn an seinem Geschäftsmodell – Datensammeln und personalisierte Werbung – darf Facebook festhalten.
Die von der FTC gegen Facebook verhängte Buße ist zwar in ihrer Höhe rekordverdächtig. Die Sanktion wird aber von Datenschützern in den USA heftig kritisiert. weil damit von Zuckerberg abwärts die gesamte Geschäftsführung als Teil des Deals mit der FTC aus der Haftung genommen wurde.
Vor allem aber enthält die FTC-Entscheidung keine Auflagen, um der wachsenden Übermacht des Datenhandelskonzerns entgegenzutreten. Der Aktienkurs von Facebook steigt weiter, das Unternehmen wird immer wertvoller. Also: Business as usual. Nicht ohne Grund warnt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dass digitale Oligopole wie Facebook durch die Verknüpfung von immer mehr Daten ihre Marktmacht ausbauen und missbrauchen.
Zahlungsmittel
Es ist jedoch längst nicht mehr der gefährdete Datenschutz, der Libra so brandgefährlich macht. Es geht auch um die Finanzstabilität. Libra könnte als riesiger Finanzplayer schnell «systemrelevant» werden.
Mit Libra sollen Einkäufe im Netz bezahlt, aber auch grenzüberschreitende Überweisungen in kurzer Frist ermöglicht werden. Der Konzern will künftig neben Nachrichten auch digitale Zahlungen in einem eigenen Zahlungssystem rund um den Globus versenden, alles im eigenen System und mit eigener Rechnungseinheit. Die Nutzer sollen mit ihren Mobiltelefonen Libra-Guthaben in Sekundenschnelle gratis transferieren und mit diesen für Einkäufe einfach bezahlen können.
Dargestellt wird das Ganze als Wohltat für über 2 Milliarden Menschen, denen Facebook als Nutzer eine einfachere Abwicklung des Zugangs zum Zahlungsverkehr verspricht. Und nicht nur Facebooknutzern, sondern allen, die bislang in Afrika oder Lateinamerika keinen Zugang zu Bankdienstleistungen hätten.
Dabei ist Facebook mit der üblichen neoliberalen Weltverbesserungsrhetorik äußerst geschickt vorgegangen. Um Monopolvorwürfen und Bedenken über den in der Vergangenheit sattsam bekanntgewordenen Datenmissbrauch durch Facebook entgegenzutreten, will der Konzern im Gewande einer Nichtregierungsorganisation seine elektronische private Währung nicht allein, sondern über einen Verein, der Libra Association mit Sitz in Genf, emittieren. «Vereinsmitglieder» sind u.a. die ausschließlich US-amerikanischen Unternehmen VISA, Paypal, eBay und Uber.
Denn Libra wird nach ersten Einschätzungen wohl wie ein riesiger Geldmarktfonds funktionieren, der auch in Staatsanleihen investiert. Das bedeutet: Wer Euro in Libra umtauscht, macht – technisch betrachtet – eine Einzahlung in diesen Fonds. Zinsen soll es dafür nicht geben. Die Anteilseigner der erklärtermaßen gemeinnützigen Libra Association erhalten nach den Plänen dagegen eine Ausschüttung auf die Reserve, die alle einzahlen. Von Gewinnen profitieren also nur die 100 Gründungsmitglieder der Libra Association.
Libra soll nach den Versprechungen von Facebook sicher sein, weil die neue private Währung angeblich durch eine Reserve realer Vermögenswerte wie Einlagen bei Banken oder Staatsanleihen gedeckt sein soll. Wäre Libra mit Staatsanleihen unterlegt, wäre das Genfer Konsortium einer der größten Investoren an den internationalen Anleihemärkten.
Der Wert von Libra soll an staatliche Währungen gekoppelt werden. Bei Bitcoin, der starken Kursschwankungen ausgesetzt ist, ist dies nicht der Fall. Nutzer sollen Libra z.B. gegen Euro an Tauschbörsen kaufen können. Der Wert von einer Libra soll von einem fiktiven Währungskorb bestimmt werden, der sich aus Anteilen an realen Währungen wie Euro, Dollar und Yen zusammensetzt und mit diesen – allerdings in bescheidenem Maße – schwankt.
Digitale private Währungen wie Bitcoin, Etherium und andere rund 2000 Privatwährungen sind anders strukturiert. Sie haben eine überschaubare Fangemeinde von libertären Hipstern, unterstützt von Hayek-Jüngern wie dem FDP-Bundestagsabgeordneten Schäffler. In der Bevölkerung geht die Akzeptanz dieser Währungen trotz aller Medienhypes gegen Null. Es handelt sich im Kern nicht um eine Währung, weil sie nicht Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel sind. Wer Bitcoin kauft, kauft diese nicht, um damit Gelder von A nach B zu überweisen, was auch viel zu lange dauern würde, sondern aus Gründen der Spekulation, indem auf dessen starke Kursschwankungen gesetzt wird.
Dies trifft auf Libra nicht zu; sie wäre als Zahlungsverkehrsprodukt einsetzbar und der Nutzerkreis, der Libra als Zahlungsinstrument akzeptiert und ihr vertraut, dürfte in der weltweiten Facebookgemeinde erheblich größer sein, selbst wenn nur ein Bruchteil davon diese Dienstleistung nutzen würde.
Die Gefahren
Es wäre allerdings naiv zu glauben, die private Libra wäre ähnlich wie etablierte staatliche Weltwährungen eine sichere Währung. Bei einer Währung geht es um ein verlässliches Zahlungsmittel, das zur Stabilität der Finanzmärkte gehört. Während Euro, Dollar oder Yen von ihren Notenbanken gestützt werden, ist die Libra-Association lediglich ein Wirtschaftsunternehmen «mit beschränkter Haftung». Sie verspricht den Nutzern, Libra stabil zu halten, verpflichtet ist sie, anders als eine Notenbank, gegenüber den Nutzern zu gar nichts.
Im Krisenfall, wenn Libra mit frischem Kapital von der Genfer Libra Association gestützt werden müsste, könnten die privaten Anteilseigner einfach aussteigen. Nutzern droht dann der Totalverlust ihrer für Zahlungszwecke eingebrachten Gelder. Um Verluste einzufahren, muss es nicht einmal zum Crash kommen, es reicht schon ein plötzlicher Kursverfall. Schließlich ist Libra von Facebook eine virtuelle Währung und kein gesetzliches Zahlungsmittel. Keine Bank und kein Händler muss eine Privatwährung wie Libra akzeptieren.
Angesichts dieses Risikoszenarios ist es bemerkenswert, dass sich Zentralbanken, Regulatoren und die Finanzminister der G7-Staaten darauf beschränken, sich kritisch zu Libra zu äußern, aber davor zurückschrecken, den Akteuren von vornherein die Rote Karte zu zeigen und mit einem Verbot dieser privaten Währung zu drohen, sollte diese am Markt platziert werden. Trotz seines aktuellen Gepolters gegen Facebook tut dies auch US-Präsident Trump nicht, der den Dollar vor privater Konkurrenz schützen will. Die Äußerungen der G7 schüren im Gegenteil den Eindruck, dass Libra bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen regulierungsfähig wäre und damit lizenziert werden könnte.
Eine ähnliche Position hat Bundesbankpräsident Weidmann, der Libra durchaus «als attraktives Modell für Verbraucher» (sic!) ansieht, gegenüber den Medien vertreten. Die Zündelei nach der letzten Finanzmarktkrise, diesmal im Namen des «Wettbewerbs» von staatlichen und privaten Währungen, geht – in vergrößertem Maßstab – weiter.
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