von Carl Lewerenz*
Wenn über alternative Antriebskonzepte für den motorisierten Individualverkehr gesprochen wird, also vor allem über Elektromotorisierung, dann ist damit fast immer verbunden, dass über Reduzierung des Verkehrs, alternative Verkehrskonzepte oder Umstellung auf öffentlichen Verkehr geschwiegen wird. Warum ist klar: Die Autoindustrie verdient an Autos, nicht an Straßenbahnen, Lokomotiven, und sie verdient auch weniger an Bussen.
Der VW-Vorstandsvorsitzende Diess hat offen zugegeben: VW produziert übergroße schnelle SUVs, weil sie damit mehr Geld verdienen – verbrämt wird das dann mit dem Hinweis, dadurch würde die Umstellung auf andere Antriebe vorfinanziert.
Wie schon in SoZ 5/2019 ausführlich dargestellt, ist das E-Auto keine echte Alternative zum jetzigen umweltschädlichen Verkehr. Jede umweltbezogene Verbesserung des Antriebskonzepts setzt sowieso voraus, dass in naher Zukunft sämtlicher Strom aus alternativen Quellen kommt. Und da insbesondere in den letzten Jahren sowohl die Förderung der Sonnen- als auch der Windenergie gebremst wurde, ist völlig unklar, woher der zusätzliche Ökostrom kommen soll, der all die teuren Batterien oder auch Wasserstoffzellen «betanken» würde.
Dies eingerechnet, bleibt die Debatte, welche Art des Antriebs gefördert wird, vor allem für die öffentlichen Verkehrsmittel im Stadtbereich wichtig genug, um sie nicht den Vorstellungen der Autoindustrie zu überlassen. d.Red.
Zur Verringerung der Treibhausgasemissionen wird jetzt verstärkt der Verkehrssektor zum Gegenstand von Erörterungen gemacht, obwohl die Stromerzeugung zu etwa viermal so hohen Mengen von Treibhausgasemissionen führt. Aber gut:
In den Leitmedien wird Wasserstoff weit überwiegend als alternativer Kraftstoff für den Individualverkehr dargestellt. Immerhin neuerdings auch für Busse und Bahnen. Um hier nicht die dazu verbreitete zeilenschindende Debattenlyrik der Leitmedien zu wiederholen, ist kurz festzuhalten: Bei elektrisch angetriebenen Straßenfahrzeugen sind zwei Antriebskonzepte zu unterscheiden: 1. der akkuelektrische (mit einem großen und schweren Traktionsakku) und 2. der Antrieb mit Strom aus einem bordeigenen Wasserstoff-Brennstoffzellen-System. Beide Antriebe arbeiten mit Elektromotoren. Nur die Art der Strombereitstellung unterscheidet sich.
Wenn wir zwei Fahrzeuge mit unterschiedlicher Antriebstechnik aber gleicher Reichweite pro Tankfüllung betrachten, ergeben sich folgende Unterschiede:
Das Laden des Traktionsakkus auch mit teuren Hochstromladegeräten dauert mindestens eine Stunde. Über Nacht in der eigenen Garage mit Haushaltsstrom ist zum Laden nur ein vergleichsweise geringer Aufwand erforderlich. Wenn jedoch eine Fahrt von rund 500 km zu bewältigen ist, müsste anschließend mindestens eine Ladepause von unter einer Stunde eingelegt werden – so sagen es die entsprechenden Lobbyorganisationen. Aber auch derart verkürzte Stromladezeiten würden an Autobahnladestationen nicht unerhebliche Wartezeiten zur Folge haben. Es müssten also entsprechend viele Ladestationen eingerichtet werden, was das Stromtanken weiter verteuern würde. Die Entwicklung von verbesserten schnellladefähigen Akkutypen, welche diese Nachteile vermeideen, bleibt noch abzuwarten.
Etwas anders ist die Situation bei Wasserstoff-Brennstoffzellen: Hochdruck-Tanks (750 bar) bieten schon nach einer drei Minuten dauernden Volladung eine Reichweite von rund 500 km. Der Ausbau der Infrastruktur für Wasserstofffahrzeuge an Autobahnen wird derzeit durch die H2-Mobility forciert vorangetrieben. Etwas über 70 solcher Hochleistungs-Wasserstoff-Tankstellen an Autobahnen gibt es aktuell in Deutschland. Alle paar Wochen kommt eine hinzu. Die Dauer der erforderlichen Tankpausen unterscheidet sich beim Wasserstofftanken nicht vom Fossilstoff-Tanken: Nach drei Minuten kann die Fahrt für die nächsten 500 km fortgesetzt werden.
Auch die Treibstoffkosten sollen sich nach Darstellung der Hersteller vom Bisherigen kaum unterscheiden. Bau und Einrichtung einer Wasserstoff-Tankstelle ist zwar viele Male teurer als eine Stromtankstelle. Aber dafür sind die Wasserstofftankstellen auch ungleich leistungsfähiger: In einer Stunde können 20 Autos für jeweils 500 km betankt werden. Bei «Betankung» von Traktionsakkus ist selbst bei Hochstromladern nur ein einziges Fahrzeuge für maximal 500 km pro Stunde vorbereitet.
Solange nur wenige akkuelektrisch angetriebene Fahrzeuge auf Langstrecken eingesetzt werden, wird es an den Autobahn-Stromladestellen nur selten Probleme geben. Sollte deren Zahl sich jedoch stark erhöhen und häufiger unterwegs Strom benötigen, sind längere Wartezeiten in den Tankpausen zu erwarten. Außerdem werden Probleme auftreten, wenn der Hochstromladebedarf mehrerer Fahrzeuge gleichzeitig auftritt. Sicher sind diese Probleme technisch lösbar, jedoch wird der hierdurch bedingte Mehraufwand zu Preissteigerungen führen.
Hohe Stückzahlen in der Großserienfertigung (im Ingenieursdeutsch: «Skalen-Effekte») werden dem Wasserstoffantrieb Vorteile verschaffen. Ob riesenhafte Traktionsakkus mit einem Gewicht von über einer halben Tonne auch preislich da mithalten können, ist zweifelhaft.
Wenn Wasserstoff jetzt vermehrt aus «überschüssigem» Windstrom per Elektrolyse erzeugt wird, liegt hier ein großer Klimavorteil. Dies darf uns jedoch nicht den Blick verstellen für die Notwendigkeit, die Strom-Erzeugung auf dezentrale erneuerbare Energien (z.B. Solarstrom von Dächern) umzustellen.
* Der Autor ist Resolvenzberater in Bochum mit Schwerpunkt Wasserstoff und Kalendarik.
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