Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2019

Frauenfußball wird weniger anerkannt und schlechter bezahlt
von Dieter Braeg

Erinnert sich noch jemand an die Frauenfußballweltmeisterschaft in diesem Jahr? Volle Stadien, begeisterte Zuschauerinnen und Zuschauer und dazu hochklassige Spiele.

Am 13.7.2019 meldete die Passauer Presse: «Fußball, ein Testspiel zweier Amateurvereine. Kurzfristig muss einer der Aushilfs-Linienrichter passen. Eine junge Frau nimmt die Fahne in die Hand … Der Schiedsrichter bittet einen der Kapitäne zu sich und sagt: ‹Ich will da keine Frau, sondern einen Mann.›»
Mario Basler, der beim Sport 1 Doppelpass «Fußballfachmann» ist, meinte zu der Frauen-EM im Juli 2017: «Ach du Schande! Ich sehe grad beim Frühstück: im Juli ist Frauen-EM! Das ist ja noch schlimmer als einfach nur eine normale Sommerpause…» Ja, das Weißbier hat wohl einige wichtige Denk- und Sprachzentren bei diesem Fußballfachhirn in Mitleidenschaft gezogen. Gordon Matthew Thomas Sumner, bekannt unter seinem Künstlernamen Sting – er hat eine Frauenfußballmannschaft trainiert –, hat da eine kompetentere Meinung: «The girls play better than the boys!»
Jetzt beginnt die Bundesliga-Saison der Männer. In den Zeitungsregalen findet man dazu dicke Hefte. Bundesliga, 2.Bundesliga, 3.Liga. Der Kicker hat natürlich die Fußballbundesliga der Frauen vergessen. Auch im Sonderheft von Sport Bild liest man keine Zeile darüber. Meine Frage beim Bahnhofskiosk, wie es um Fachzeitschriften zum Frauenfußball bestellt sei, wurde mit einem mitleidigen Lächeln beantwortet.

Der lange Kampf um Anerkennung
Nachdem die Bundesrepublik Deutschland 1954 in der Schweiz Fußballweltmeister wurde, beschloss der DFB auf seinem Verbandstag einstimmig, dem Frauenfußball die Rote Karte zu zeigen: «…unseren Vereinen nicht zu gestatten, Damenfußball-Abteilungen zu gründen oder Damenfußball-Abteilungen bei sich aufzunehmen, unseren Vereinen zu verbieten, soweit sie im Besitz eigener Plätze sind, diese für Damenfußballspiele zur Verfügung zu stellen, unseren Schieds- und Linienrichtern zu untersagen, Damenfußballspiele zu leiten.» Begründet wurde dies so: «…dass diese Kampfsportart der Natur des Weibes im wesentlichen fremd ist.» «Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.»
Während bei den männlichen Funktionären Fußball eine schädigende Wirkung auf die Denkfähigkeit hinterlassen haben muss, waren sie sich einig, dass Balltreten der Gesundheit von Frauen abträglich sei und ihre Gebärfreudigkeit beeinträchtige. Trotzdem haben Frauen damals «wild» Fußball gespielt, in dieser beginnenden Verbotszeit war Fortuna Dortmund die beste Frauenmannschaft.
Der DFB-Direktor Oliver Bierhoff ist verantwortlich auch für die Frauennationalmannschaft, denn beim DFB steht immer noch der Mann im Mittelpunkt. Er meinte im Jahr 2019: «Der Frauenfußball hat sich in anderen Ländern stärker entwickelt, in England etwa durch die Nähe zur Profiliga, während in Deutschland die Zahl der Spielerinnen rückläufig ist. Ich will die Förderung unserer weiblichen Leistungsträger mit entsprechenden Ressourcen unterstützen wie bei den Männern. Schon jetzt sind die Weiterbildungen der Trainer und Spieler im Frauen-, Herren- und Juniorenbereich im DFB miteinander verzahnt. Frauen profitieren ebenso wie Männer und Junioren von den Möglichkeiten, welche die DFB-Akademie ihnen … bietet.» Es wird ein weiter Weg werden, bis es im DFB eine Direktorin geben wird.
Als Carmen Thomas im Jahre 1973 im ZDF-Sportstudio aus Schalke 04 ein «Schalke 05» machte, verlor sie ihren Job. Hört und liest man heute die vor allem von männlichen «Fußballkennern» betriebene Fußballberichterstattung, gäbe es Tag für Tag reichlich Gründe, denen die rote Karte zu zeigen. Aber da pfeift kein Schiedsrichter, da hört man, wie der Ball «verarbeitet» wird, und der «Ballbesitz» müsste eigentlich eine Vergesellschaftungsforderung zur Folge haben. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kann man keine langen Fußballübertragungen der 1. und 2.Bundesliga sehen, das erledigen Bezahlsender. Warum wird nicht kompetent aus den Frauenfußballligen übertragen und berichtet? Da wird spannender und technisch hochklassiger Fußball gespielt.
Ein Umdenkungsprozess ist allerdings im Gange. Länderspiele der deutschen und österreichischen Nationalmannschaft werden im Fernsehen übertragen, meist in den Ersten Programmen. Das allerdings hat wenig mit einer plötzlichen «Frauenfußballfreundlichkeit» zu tun, sondern eher damit, dass die Privatsender die meisten Senderechte für den Profimännerfußball besser bezahlen.

Gleicher Lohn?
Im Grundgesetz Art.3 Abs.2 steht: «Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.» Es gibt seit 2018 in Deutschland ein Lohngleichheitsgesetz.
Die Regeln sind im Männerfußball und im Frauenfußball gleich. Bei der Bezahlung allerdings hapert es. Da ist ein gelungenes Tor, ein Sieg, ein geglückter Spielzug bei den Frauen weit weniger wert als bei den Männern. Vertraglich sind die Spielerinnen zur Geheimhaltung ihrer Gehälter verpflichtet. Eine Erhebung aus dem Jahr 2018 ergibt jedoch, dass in der deutschen Frauenbundesliga im Schnitt gut 39000 Euro im Jahr verdient werden. Zum Vergleich: Männerfußballer der 3.Liga bekommen etwa das Vierfache – durchschnittlich 120000 Euro jährlich. In der Bundesliga gibt es im Schnitt 47500 Euro – pro Spiel, nicht pro Jahr!

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