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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2019

Großer Zulauf zum feministischen Festival in Essen
von Petra Stanius

Seit einigen Jahren erleben wir, dass die feministische Bewegung weltweit wächst. Auch an Deutschland geht diese Entwicklung erfreulicherweise nicht vorbei.
Ein Ausdruck davon ist das Feminist Futures Festival, das vom 12. bis 15.Juli 2019 in Essen stattgefunden hat.

Eine vergleichbare Veranstaltung hat es hier jahrzehntelang nicht gegeben. Und sie beschränkte sich nicht auf «Frauenthemen». Das Verständnis von Feminismus, das hier geteilt wurde, ist vielmehr ein Feminismus der 99 Prozent: Ein Feminismus, der für die Interessen aller Menschen weltweit eintritt, die ausgebeutet und unterdrückt werden.
Veranstaltet wurde das feministische Festival von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem Netzwerk Care Revolution und dem Konzeptwerk Neue Ökonomie. Dass darüber hinaus zahlreiche Menschen an der Vorbereitung und Durchführung beteiligt waren, wurde durch das umfangreiche Angebot mit seinen mehr als hundert Podien und Workshops deutlich.
Das Interesse an der Veranstaltung war so groß, dass die Organisatorinnen letztlich die Anmeldung schließen mussten, um nicht ihre räumlichen und infrastrukturellen Grenzen zu überschreiten: 1500 Teilnehmende aus über 40 Ländern hatten sich angekündigt.
Ziel des Festivals war, dass die Teilnehmenden ihre Unterschiedlichkeit als Stärke begreifen, um feministische und queerfeministische Anliegen mit konsequenter Kapitalismuskritik und Klassenpolitik zu verbinden. Was eine antirassistische und internationalistische Haltung ebenso einschließt wie die Anerkennung der Geschlechtervielfalt.
Namensgeber für den inhaltlichen Auftakt, der auf große Zustimmung stieß, war das von Cinzia Arruzza, Tithi Bhattacharya und Nancy Fraser verfasste Manifest «Feminismus für die 99 Prozent». Feminismus ist nach diesem Verständnis antikapitalistisch und verbündet sich mit allen anderen fortschrittlichen, widerständigen Bewegung, um gemeinsam für ein gutes Leben für alle zu kämpfen.
Nicht nur das Event selbst war etwas Besonderes, sondern auch der Ort, an dem es stattfand: Die Zeche Zollverein in Essen, UNESCO-Welterbe und Denkmal der – männlich geprägten – Industriegeschichte des Ruhrgebiets. Auch dieser Ort und seine Bedeutung waren Thema verschiedener Workshops.
Ansonsten konnten die Teilnehmenden lernen vom Beispiel, das die autonome kurdische Frauenbewegung lebt. Lernen auch von der Ruhrjugend und ihren praxisnahen Vorschlägen zum Thema «Intersektionalität und Raus aus der Szene». Oder selbst einen Festival-Podcast machen. Filme anschauen. Sich informieren und diskutieren über Altersarmut, (Frauen-)Streiks im Krankenhaus, Queer und Landwirtschaft, globale Sorgeketten, das Menschenrecht «Wohnen», Ökologie und Feminismus, feministisch streiken gegen Rechts…
Die Feier des fünfjährigen Bestehens von Care Revolution unter dem Motto «Füreinander sorgen. Solidarisch kämpfen. Und zwar jetzt!» fand im Rahmen des Festivals statt. Ebenso eine Solidaritätsdemonstration mit der Demo «Der Pott bleibt unteilbar» in Essen-Steele, an der sich über 500 Teilnehmende des Festivals beteiligten. Nicht zu vergessen die Vorbereitungstreffen für den Frauen*streik 2020. Auch eine Party am Samstagabend fehlte nicht.
Während der Abschlussveranstaltung gab es die Möglichkeit, Projekte vorzuschlagen und MitstreiterInnen dafür zu gewinnen. Mehr als dreißig Vorschläge kamen dabei zusammen: örtliche Angebote zur Vernetzung, die Vorbereitung eines politischen Musikfestivals, ein queerfeministischer Aktionsverteiler, Schulungen zu Awareness…
Das beeindruckende und ausgesprochen gelungene Festival endete am Sonntag mit dem gemeinsamen Skandieren der Parole:
What do we want? – Feminist Futures!
When do we want it? – Now!

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