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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2019

Die Räumung des Hambacher Waldes vor einem Jahr holt die Landesregierung von NRW nun ein
von Hanno von Raußendorf *

Im September vor einem Jahr ist auf Betreiben der Landesregierung und im Interesse von RWE eines der größten Polizeiaufgebote in der Geschichte von NRW in den Hambacher Wald eingefallen. Mit schwerem Gerät und Hundertschaften aus dem gesamten Bundesgebiet wurden die etwa 80 Baumhäuser und Hochstände im Wald zerstört und die Waldbesetzung, oft unter Anwendung von Gewalt, vertrieben.

Schon damals waren drei Dinge allzu deutlich: Die Landesregierung hatte sich erstens zum Büttel der RWE gemacht. Das uralte Biotop sollte rechtzeitig zum Beginn der Rodungssaison für seine endgültige Abholzung vorbereitet werden. Schon der enge zeitliche Zusammenhang legte dies nahe. Aber auch die Kooperation von Polizei und Werkschutz des Konzerns wies deutlich darauf hin.
Zweitens war es der Landesregierung egal, wie sie ihr Vorgehen rechtlich begründet. Sorgen um die Bausicherheit waren nur vorgeschoben.
Die Landesregierung hat drittens durch ihren völlig unverhältnismäßigen Polizeieinsatz Menschenleben gefährdet. Der Journalist Steffen Meyn brach am 19.September 2018 bei dem Versuch, die Räumung eines Baumhauses durch die Polizei zu dokumentieren, durch eine Hängebrücke und stürzte aus 15 Metern in den Tod. Er könnte noch am Leben sein.
Ich habe schon vor einem Jahr gefordert, dass Innenminister Reul zurücktreten muss, dieser Meinung bin ich mehr denn je. Denn Mitte September ist das Lügengebäude der Landesregierung eingestürzt. Auf das rechtliche Betreiben eines Klimaaktivisten hin hat sie zwei Rechtsgutachten veröffentlicht, die sie seinerzeit ganz kurzfristig in Auftrag gegeben hatte. Die Gutachten empfahlen, nachdem sie andere, näherliegende Rechtsgrundlagen geprüft und verworfen hatten, das Baurecht als Eingriffsermächtigung zu nutzen. Bauliche Mängel würden angeblich die Räumung der Baumhäuser erforderlich machen. Zwischen den Zeilen war aber auch zu ahnen: Grund für die Aktivitäten der Landesregierung war nicht die Sorge um die Sicherheit der Waldbesetzer in ihren Baumhäusern, sondern die Interessen des Energieriesen RWE.
Eilig dementiert Innenminister Reul daraufhin, in diesem Zeitraum mit RWE im Kontakt gestanden zu sein. Diese Behauptung musste er nach einem Blick in seinen Kalender aus dem vergangenen Jahr schnell wieder zurücknehmen.
Auf wachsenden Druck hat die Landesregierung am 12.September dann weitere Akten zugänglich gemacht. Die lassen keinerlei Zweifel mehr: RWE wollte im Hambacher Wald vollendete Tatsachen schaffen. Im Sprachgebrauch des Innenministeriums hieß der Plan «Rodungsfinale». Anschließend noch verbleibende Restbestände sollten «nicht mehr den Charakter eines zusammenhängenden Waldes» haben. Aufgabe der Landesregierung war, durch ihre brutale Räumung die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Dass es dann doch nicht so kam, ist allein dem Widerstand der wachsenden Klimagerchtigkeitsbewegung und einer Klage des BUND zu verdanken.

* Hanno von Raußendorf ist Sprecher für Klima und Umwelt im Landesvorstand der Partei DIE LINKE in NRW.

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