Sozialdemokraten sahnen ab
von Cristiano Dan
Die Parlamentswahlen am 7.Oktober in Portugal haben den konservativen und rechten Parteien eine deftige Niederlage verpasst. Das «linken Lager» schneidet gut ab, dennoch bleiben gemischte Gefühle.
Zuallererst ist die massive Zunahme der Wahlenthaltungen zu nennen: Gegenüber den Wahlen von 2015 ist sie (ohne die Auslandsportugiesen) von 43 auf 45,5 Prozent gestiegen. Vor diesem Hintergrund ergeben auch starke prozentuale Steigerungen ein verzerrtes Bild, wenn man nicht die absoluten Zahlen heranzieht. Woher kommen die vermehrten Wahlenthaltungen?
Die Wahlsieger
Erste Wahlsiegerin ist die Sozialistische Partei (PS), die die ausgehende Regierung angeführt hatte, toleriert vom Bündnis CDU und dem Bloco de Esquerda. Sie hat 119000 Stimmen zugelegt und hat mit 38 Prozent und 106 Sitzen zwar nicht die angestrebte absolute Mehrheit, aber auch prozentual gewonnen und 20 Sitze mehr geholt.
An zweiter Stelle ist die Tierschutzpartei zu nennen (PAN, 3,4 Prozent), die mit einem Plus von 92000 ihre Stimmenzahl mehr als verdoppelt hat und von einem auf vier Sitze klettert.
An dritter Stelle kommt Livre, die portugiesische Sektion der paneuropäischen Bewegung von Varoufakis; sie erhält mit 57000 Stimmen (+16000) und 1,1 Prozent ihren ersten Sitz im Parlament.
Gleichfalls zum ersten Mal ins Parlament eingezogen sind die orthodox-liberale Iniciativa Liberal (1,3 Prozent) und die rechtspopulistische Chega! mit ebenfalls 1,3 Prozent.
Die Wahlverlierer
Die sog. Sozialdemokratische Partei (PSD/PPD), die in Wirklichkeit eine Mitte-Rechts-Orientierung verfolgt und die Hauptpartei des Bürgertums ist, ist mit 29 Prozent und 1,42 Millionen Stimmen abgeschlagen hinter der PS gelandet. Die rechte Volkspartei (CDS-PP) kommt auf 4,4 Prozent und 5 Sitze. Zusammen haben beide Parteien, die 2015 die Regierungskoalition bilden wollten, fast 450000 Stimmen und 25 Sitze verloren.
Die andere große Wahlverliererin ist die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP), die seit langem mit den Grünen (PEV) das Wahlbündnis CDU bildet. Die CDU holte nur noch 329000 Stimmen (-117000) und mit 12 Sitzen 5 weniger als das letzte Mal.
Der Bloco de Esquerda
Der Linksblock verliert nur 0,5 Prozentpunkte und kann seine 19 Sitze behalten, in absoluten Zahlen verliert er aber 58000 Stimmen. Anders als alle anderen Parteien sind Gewinne und Verluste bei ihm nicht gleichmäßig über das Territorium verteilt, sondern er gewinnt im Norden dazu und verliert im Süden. In sieben Wahlkreisen, darunter Lissabon, Porto und Setúbal, verliert er sowohl in absoluten wie in Prozentzahlen; in acht Wahlkreisen verliert er absolut, aber nicht prozentual; und in vier Wahlkreisen (darunter Coimbra und Viseu) gewinnt er absolut und prozentual hinzu. In Lissabon und Porto kann die Konkurrenz durch Livre eine Rolle gespielt haben.
Auch beim Bloco scheinen die größten Verluste mit einem Anstieg der Wahlenthaltung zu korrelieren.
Kräfteverhältnisse
Obwohl ein Verhältniswahlrecht, begünstigt das portugiesische Wahlsystem in den Wahlkreisen die großen Parteien. Mit 38 Prozent der Stimmen und einem relativ moderaten Stimmenzuwachs bekommt die Wahlsiegerin PS fast die Hälfte der Sitze zugeschlagen; ihr Wahlsieg ist also in Wirklichkeit nicht ganz so groß, wie er dann ausfällt. Ihre Gewinne gehen vor allem zulasten der rechten Parteien im Norden des Landes, sehr viel weniger zulasten der Linken (mit Ausnahme von Madeira).
Die CDU verliert vor allem in ihren Hochburgen: Lissabon -2 Prozentpunkte; Setúbal -3,1 Prozentpunkte; Beja -2,2 Prozentpunkte; Évora -2,6 Prozentpunkte. In Évora etwa stehen diesen Verlusten nur geringfügige Zuwächse der PS (+0,9 Prozentpunkte) und des Bloco (+0,3 Prozentpunkte) gegenüber. Die Verluste der CDU scheinen also vor allem in die Wahlenthaltung gegangen zu sein. Das wird durch die Tatsache bestätigt, dass in allen «roten» Hochburgen die Wahlenthaltung über dem Durchschnitt lag, manchmal doppelt so hoch.
Die Verluste der Rechten sind der PS zugute gekommen, in großem Umfang aber auch in die Wahlenthaltung geflossen.
Die Erfolge der Tierschutzpartei sind teilweise spektakulär; in einem Dutzend Wahlkreise gewinnt sie mehr Stimmen hinzu als die PS. Sie fischt in allen Gewässern.
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