Bangladesh/Deutschland 2019, Regie: Shaheen Dill-Riaz (Sabat.Media, 96 Min.)
von Peter Nowak
Während bei uns eine gutbetuchte Mittelschicht zunehmend auf Bambusprodukte als ökologische Alternative zurückgreift, zeigt ein Film die Ausbeutung bei der Bambusgewinnung in Bangladesh.
In der letzten Zeit wird viel über die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse in Ländern des globalen Südens gesprochen, von denen oft auch die liberale, umweltbewusste Mittelschicht profitiert. Dazu gehört auch der Bambus. Jetzt zeigt der Dokumentarfilm des deutsch-bengalesischen Regisseurs Shaheen Dill-Riaz die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse, denen die Bambusarbeiter, es sind ausschließlich Männer, in seiner Heimat ausgesetzt sind.
Dill-Riaz hat sich bereits mit dem preisgekrönten Film Eisenfresser einen Namen als sozialengagierter Regisseur gemacht. Er begleitet eine Gruppe von Arbeitern bei ihrer gesundheitsgefährdenden Arbeit. Das beginnt schon beim Schneiden der Bäume, wo sie mal gegen einen störrischen Elefanten, mehr noch aber gegen andere Arbeiter, die von anderen Firmen angeheuert wurden, kämpfen müssen. Monatelang leben sie auf den Bambusflößen, wehren sich mehr schlecht als recht gegen Blutegel und andere Tiere. Der Polizei müssen sie Schmiergeld zahlen und die Flußpiraten kassieren noch mal ab.
Schnell wird klar, dass sie und ihre Familien von dem Lohn kaum überleben können. Dabei sind die Männer immer in Alltagsarbeit verstrickt, so dass sie sich selten über ihre Arbeitsbedingungen austauschen können. Einmal sieht man einige Minuten in dem Film eine Szene, die der Beginn einer Organisierung sein könnte. Die Männer unterhalten sich darüber, warum der Bambus so teuer verkauft wird, während sie nicht das Nötige zum Leben haben. Und sie denken darüber nach, dass sie tatsächlich eine Macht haben. Wenn sie nicht mitmachen, kommt der Bambus nicht an. Doch schnell wird wieder über anderes gesprochen. Aus dem Unmut über ihre Arbeitsbedingungen entwickelt sich kein Widerstand. Keine Gewerkschaft der Bambusarbeiter ist in Gründung.
Warum das so ist, erfährt man nicht im Film, sondern nachher, bei der Premierenfeier. Da berichten einige KollegInnen des Regisseurs, dass ein solcher Film im Bangladesh kaum gezeigt werden könne. Die von den Staatsorganen geförderte Islamisierung bedrohe noch die letzten Orte einer liberalen Kultur. Im Film sieht man wenig religiöse Symbolik. Die Frauen der Bambusarbeiter scheinen viel couragierter als die Männer. Sie erklären sehr drastisch ihre schweren Lebensbedingungen und kritisieren auch ihre Männer, die keine Schulbildung haben und deshalb die schlechten Arbeiten machen müssen.
Einer der Arbeiter bedauert, sein Vater habe viel Geld in seine Bildung investiert, aber er habe lieber mit Gleichaltrigen gespielt, statt zur Schule zu gehen. Jetzt will er verhindern, dass seine Kinder ebenfalls die Bildung verweigern. Doch als er nach mehreren Wochen von der Arbeit nach Haus kommt, erfährt er, dass sein Sohn, statt in die Schule zu gehen, die Ziegen hütet.
Der Film könnte in Zeiten, wo die umweltbewusste liberale Mittelschicht vermehrt Bambusprodukte wie Strohhalme und Zahnbürsten konsumiert, eine Diskussion über die Bedingungen anregen, unter denen sie hergestellt werden, und so eine Verbindung zwischen der imperialen Lebensweise im globalen Norden und der Ausbeutung in den Ländern des Südens schaffen.
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