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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2019

Bericht der Oktoberkonferenz
von Violetta Bock

Am 26./27.Oktober fand in Kassel die zweite OKG-Konferenz statt. An zwei Tagen gab es Workshops, Podien, gemeinsame Diskussionen sowie einen Abend mit dem 2019 erschienen Film Luft zum Atmen (Regie: Johanna Schellhagen) über die Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen bei Opel. OKG zieht ein positives Fazit.

Um nur einige Schlaglichter zu werfen: Mit über 80 KollegInnen haben wir beraten, wie wir durch offensive Betriebsratsarbeit Ausgliederungen unterlaufen können; was eine angemessene Antwort im Betrieb auf Formen der indirekten Steuerung und Kontrolle sind, durch die Unternehmen an «das Gold in unseren Köpfen» kommen wollen; ob und wie wir heute für eine Verkürzung der Arbeitszeit streiten sollten; wie hauptamtliche GewerkschafterInnen eine dienliche Rolle dabei spielen können, unsere Bewegung von unten nach oben aufzubauen.
Kollegen von Amazon haben berichtet, wie es ihnen gelungen ist, mehr Schwung in die recht statische Streikstrategie von Ver.di zu bringen, indem sie sich als betrieblich Aktive beharrlich «eingemischt» haben – nicht ohne Reibungen mit alten Routinen. Das Ergebnis: Die Streikplanung liegt jetzt viel unmittelbarer als vorher in ihren eigenen Händen.
Wir haben auch darüber gesprochen, welche Formen Union Busting in unseren Betrieben annimmt und wie wir uns dagegen wehren können; unter welchen Bedingungen im Bildungs- und Erziehungssektor gearbeitet wird und wie dort erfolgreich gekämpft werden kann. Wir haben von den drückenden Arbeitsbedingungen in der persönlichen Assistenz gehört, aber auch erfahren, wie Aktive dort versuchen, sich gewerkschaftlich durchzusetzen.
Ein Aktiver der GEW-Berlin hat uns von einer beeindruckenden Entlastungskampagne erzählt, und Aktive von «Uni Kassel unbefristet» haben dargestellt, wie sie versuchen, den fast vollständig prekarisierten Mittelbau an ihrer Hochschule zu organisieren, um von der Unileitung Entfristungen für wissenschaftlich und technisch-administrative Beschäftigte zu erzwingen.
Wir haben kontrovers, solidarisch und aus unterschiedlichen Blickwinkeln über die Wiedereingliederung der Delivery-GmbHs in die Deutsche Post diskutiert. Wir konnten von verschiedenen Orten aus auf die Kämpfe in der Pflege blicken, haben darüber geredet, welche Hürden genommen wurden und welche noch zu nehmen sind.
In dem Workshop über die Kämpfe bei Ryanair und dem Essenslieferanten Deliveroo beeindruckten uns die vielen verschiedenen kreativen Wege, durch die selbst bei stark auseinandergerissenen Belegschaften der persönliche Kontakt und das Vertrauensverhältnis zwischen den KollegInnen gestärkt wurden.
Nicht zuletzt haben wir beraten, wie wir dem wachsenden Einfluss von Rechten im Betrieb begegnen können. «Durch gute Betriebsratsarbeit!» Diese auf den ersten Blick simple Antwort gab ein aktiver Vertrauensmann im Daimler-Werk Untertürkheim. Dort hatte die rechtsextreme Gruppe «Zentrum Automobil» bei den letzten Betriebsratswahlen 13,2 Prozent der Stimmen bekommen. Seine Analyse: Das Zentrum hat die größten Erfolge in den Abteilungen, in denen die IG Metall nicht präsent ist und sich IG-Metall-Betriebsräte lieber mit dem Management unterhalten als mit den Kolleginnen und Kollegen. Dort, wo Metaller präsent sind und sich um die Probleme der Kolleginnen und Kollegen kümmern, schneiden die Rechten messbar schlechter ab.
Kurzum: Viele Beispiele haben gezeigt, dass auch unter den schwierigsten Bedingungen Macht für die Beschäftigten aufgebaut werden kann.
Abgerundet wurde das Programm durch Organizingmodule und ein Podium mit Vertretern von OKG, Lernen im Kampf, dem Forum Offensive Gewerkschaftspolitik (eine Initiative von hauptamtlichen IGMetallern), ORKA und Organizi.ng zum Thema: «Schwung in die Arbeiterbewegung bringen – aber wie?» Dabei wurden hauptsächlich Potenziale und Schwierigkeiten bei der Verbindung mit sozialen Bewegungen wie dem Klimastreik und dem Frauenstreik diskutiert.
Eine Rolle spielte auch die kritische Auseinandersetzung mit der linken Tradition des Resolutionenschreibens. Auch die Diskussion um die Arbeitszeitverkürzung war ausgehend vom betrieblichen Alltag ein wiederkehrendes Thema.

Gemeinsam stärker werden!
Die Konferenz diente vor allem dem Austausch und der Vernetzung. Sie ist so angelegt, dass jene, die die Kämpfe an vorderster Front führen, im Mittelpunkt stehen. So kamen in den Workshops die Inputs ausschließlich von betrieblich Aktiven. Neben ErstrednerInnen und Frauen trug die betriebliche Quotierung dazu bei, dass nicht vor allem über Beschäftigte geredet wurde. Die Konferenz wurde damit zu einem Ort für Unruhestifter in den Betrieben, für UnterstützerInnen und Aktive, für Hauptamtliche, die die Gewerkschaft von unten als soziale Bewegung aufbauen wollen. Das gab Kraft und Mut für den betrieblichen Alltag.
Dennoch gibt es einiges zu verbessern. Drei uns besonders wichtige Punkte betreffen die Zusammensetzung der Konferenz: Zu wenige Frauen haben unsere Konferenz genutzt, zu wenige KollegInnen mit Migrationshintergrund waren da und deutlich mehr Menschen aus Dienstleistungs-, denn aus Industriebetrieben haben sich mit uns ausgetauscht. Auf unserem Samstagabendpodium sprachen z.B. keine Frauen.
Noch viele Aufgaben liegen vor uns. Lasst uns gemeinsam stärker werden, lasst uns zusammen: organisieren – kämpfen – gewinnen!

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