Erste Freisprüche im Verfahren gegen die «Eschweiler-Fünf»
von Hanno Raußendorf
Das Amtsgericht Eschweiler hat Angeklagte der Klimagerechtigkeitsbewegung überraschend in wesentlichen Anklagepunkten freigesprochen.
Anfang Dezember ist der Prozess gegen fünf KlimaaktivistInnen vor dem Amtsgericht Eschweiler nach drei Prozesstagen zu einem überraschenden, wenn auch nur vorläufigen Ende gekommen. In den beiden wesentlichen Anklagepunkten: Störung öffentlicher Betriebe und Hausfriedensbruch wurden die Angeklagten freigesprochen.
Ersteres verneinte das Gericht mit dem Hinweis darauf, dass kein bleibender Schaden an Betriebsmitteln entstanden sei, letzteres sah es nicht als gegeben an, weil das Betriebsgelände zum Zeitpunkt der Aktion nicht rundum gesichert gewesen sei. So ganz wollte das Gericht dann aber doch nicht auf Repression verzichten und verurteilte die fünf wegen Widerstands zu 50 bzw. 60 Tagessätzen à 5 Euro. Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben Rechtsmittel gegen das Urteil angekündigt.
Den zwei Frauen und drei Männern zwischen 22 und 37 Jahren wurde zur Last gelegt, sich an der Blockade des Braunkohlekraftwerks Weisweiler im November 2017 beteiligt zu haben. Dort hatte die Klimagerechtigkeitsbewegung am frühen Morgen die Kohlezufuhr unterbrochen. AktivistInnen hatten sich an Förderbänder gekettet, waren auf Bagger geklettert – damit gelang es zum erstenmal, für kurze Zeit die Abschaltung eines Kraftwerks zu erzwingen. Während in Bonn die 23.Klimakonferenz der UN tagte, verhinderte die Aktion den Ausstoß von rund 26000 Tonnen CO2.
Die Verteidigung hat sich auf rechtfertigenden Notstand berufen und dargelegt, dass die Taten angesichts der Klimakatastrophe gerechtfertigt seien. Die Staatsanwaltschaft hatte Freiheitsstrafen gefordert. Angesichts immer neuer Temperaturrekorde, von Stürmen, Überschwemmungen und Dürren, Waldbränden von der Arktis bis zum Amazonas, schmelzenden Gletschern und auftauenden Permafrostböden möchte man Brecht paraphrasieren und fragen: Was ist die Blockade eines Braunkohlekraftwerks gegen den Betrieb eines Braunkohlekraftwerks?
Einige haben mit dem Ausgang des Verfahrens in Eschweiler die Hoffnung verbunden, nun könne es für RWE schwerer werden, seine zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen von 2 Millionen Euro vor dem Landgericht Aachen gegen die gleichen Personen durchzusetzen. Im Gegensatz zu einigen Tagessätzen à 5 Euro hat dieses Verfahren das Potenzial, deren Existenz zu zerstören.
Das Zivilgericht könnte sich möglicherweise in der Beweisaufnahme auf das ergangene Strafurteil stützen. Allerdings dürfte es für die Annahme der zivilrechtlichen Verantwortung kaum darauf ankommen, ob das Betriebsgelände rundum gegen Betreten gesichert war oder ob Betriebsmittel dauerhaft beschädigt wurden. Wenn es den Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von RWE bejaht, könnte der Nachweis eines wirtschaftlichen Schadens, für den die fünf Personen verantwortlich gemacht werden, dem Gericht in Aachen schon ausreichen.
Die Angeklagten beendeten ihr Statement vor Gericht indes mit der Ankündigung: «Das letzte Wort der Bewegung für Klimagerechtigkeit ist noch lange nicht gesprochen.»
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