Gegen Lichtverschmutzung
von Rolf Euler
Beim Gang durch die Innenstadt im Dezember gehen die Vorweihnachtsgedanken oft in Richtung Zorn.
Die berüchtigte «Seidenstraße» von China bis Europa spukt in riesigen Mengen Kerzenhalter, Rentiere, Weihnachtsmänner, Kugeln, Schneefiguren, Sternformationen und was alles an Leuchtmitteln zur Festbeleuchtung gehört aus. In jedem Geschäft, aus allen möglichen Kunststoffen, auf Papier, aus Ton, hässliche Wintertiere, übertriebene Engelsgesichter, verzierte Teller und Tassen – man würde eher an einen Billigbasar als an Weihnachten denken.
Was früher immer unter «Schmuck» lief, wird zu einem billigen Massenprodukt, hergestellt in Chinas Sweatshops, angeblich am westlichen Geschmack orientiert und in Containern millionenfach nach Europa und Amerika geschifft oder per Eisenbahn in Duisburg zum Verteilen in alle Läden der Stadt ausgeladen.
Dazu kommt eine Festbeleuchtung, die von der Ablösung der Glühlampen durch LED-Lichterketten nicht profitiert hat. Aus Stromspargründen ist zwar ein Ersatz der Glühlampen sicher richtig. Aber was daraus folgt, ist eine Verzehnfachung der einzelnen Beleuchtungskörper – in oft grellen Farbtönen von pink über mintgrün zu magenta. Ketten in Bäumen, an Wänden, wechselnde Farben, blinkende Rentiere, was immer ein Kabel und viele LEDs tragen kann, wird ausgestellt.
Hier vor allem – aber auch in den Vorgärten – zeigt sich der «Rebound-Effekt» des technologischen Wandels. Während die einzelne Lampe weniger Strom je ausgestrahlte Lichtmenge benötigt, wird allein durch die zusätzliche Menge an Beleuchtung der Spareffekt zunichte gemacht. Dies ist dann das Argument der Kraftwerksindustrie, länger Strom aus Kohle vorhalten zu müssen, damit bei der «Dunkelflaute» im Dezember die Lichter nicht ausgehen, weil die alternativen Energiequellen nicht ausreichen. Die Perversion des Sterns von Bethlehem strahlt über jedem Weihnachtsmarkt (es gibt Ausnahmen, ich weiß…).
Wer einmal in der Eifel oder in Mecklenburg die wenigen Orte besucht, wo der Sternenhimmel noch in fast voller Pracht in dunklen Nächten gesehen werden kann – eine Sicht, die wir noch aus Kinder- oder Jugendzeit an fast jedem Ort erinnern –, der bekommt eher einen Eindruck von winterlichen Zeiten.* Dunkelheit nicht als Furchtdrohung, sondern als Möglichkeit, neu zu sehen, mehr zu sehen als in der Kunstbeleuchtung, besonders vor Weihnachten. Lichtverschmutzung ist eines der größeren Probleme für die Umwelt, daher der Wunsch zur Weihnachtszeit des rundumbeleuchteten Ruhrmenschen: «Ollen – mach dunkel!»
* www.nationalpark-eifel.de/de/nationalpark-erleben/sternenpark/
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