Bei den Staatsstreichen in Bolivien ging es immer um die Bodenschätze
dokumentiert*
Bolivien hat in seiner Geschichte eine Vielzahl von Staatsstreichen erlebt, sie wurden vom Militär und der Oligarchie im Interesse transnationaler Bergbaukonzerne durchgeführt. Anfangs waren dies Zinnförderunternehmen, doch Zinn ist nicht mehr das wichtigste Produkt in Bolivien. Dies sind nun die massiven Lithiumvorkommen, die für das Elektroauto von entscheidender Bedeutung sind.
In den vergangenen 13 Jahren hat Morales versucht, ein anderes Verhältnis zwischen dem Land und seinen Bodenschätzen herzustellen. Diese sollten nicht den transnationalen Konzernen, sondern der eigenen Bevölkerung zugute kommen. Ein Teil dieses Versprechens wurde erfüllt, Boliviens Armutsrate ging zurück. Die Verstaatlichung der Bodenschätze in Kombination mit der Verwendung des aus ihnen erzielten Einkommens zur Finanzierung sozialer Entwicklung hat dafür eine Rolle gespielt. Diese Haltung der Regierung Morales gegenüber den transnationalen Konzernen hat zu harschen Reaktionen auf deren Seite geführt: Bolivien wurde vielfach vor internationalen Gerichtshöfen verklagt.
Vizepräsident García Linera bezeichnete das Lithium als den «Brennstoff, der die Welt ernährt». Bolivien knüpfte Bedingungen an den Lithiumabbau, die die transnationalen Konzerne nicht erfüllen wollten. Die Regierung musste deshalb Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen eingehen. Dadurch wurde sie verwundbar, denn sie geriet in den neuen Kalten Krieg zwischen dem Westen und China.
Morales kündigt die Verträge
Als Morales und die MAS 2006 die Regierung übernahmen, übernahm die Regierung mehrere Förderanlagen von den mächtigsten Bergbaufirmen wie Glencore, Jindal Steel & Power, Anglo-Argentine Pan American Energy u.a. In einigen Gebieten des Landes konnten diese Firmen ihre Förderung – gestützt auf alte Verträge – allerdings weiterführen. So konnte das kanadische transnationale Unternehmen South American Silver in einem Gebiet Silber und Indium fördern, das von Indigenen bewohnt war. Mit der dort lebenden Bevölkerung gab es Konflikte, sie warf dem Unternehmen vor, heilige Stätten zu zerstören und eine Atmosphäre der Gewalt zu schaffen.
Im August 2012 annullierte die Regierung den Vertrag mit South American Silver (jetzt TriMetals Mining), das Unternehmen verlangte von der Regierung Entschädigung. Dabei übte die kanadische Regierung starken Druck auf Bolivien aus. Im August 2019 kam es zu einer Einigung, und Bolivien zahlte 25,8 Mio. US-Dollar an TriMetals Mining (ein Zehntel dessen, was das Unternehmen ursprünglich als Entschädigung gefordert hatte).
Zu ähnlichen Auseinandersetzungen kam es mit zahlreichen weiteren Unternehmen. 2014 wurde geschätzt, dass sich die für die Verstaatlichung dieses Schlüsselsektors gezahlten Entschädigungen auf insgesamt 1,9 Mrd. Dollar beliefen (Boliviens Brouttoinlandsprodukt betrug zu dieser Zeit 28 Mrd. Dollar).
Sogar die Financial Times musste zugeben, dass Morales’ Strategie nicht ganz unpassend sei: «Der Beweis für den Erfolg von Morales’ Wirtschaftsmodell ist, dass er seit seinem Machtantritt das Volumen der Ökonomie verdreifacht hat, während die Devisenreserven auf ein Rekordhoch gestiegen sind.»
Nicht zu Morales’ Bedingungen
Bolivien behauptet, über 70 Prozent der Weltvorkommen von Lithium zu verfügen, zumeist in den Salzpfannen von Salar de Uyuni. Die Komplexität der Förderung und Verarbeitung hat zur Folge, dass das Land nicht in der Lage ist, eine eigene Lithiumindustrie zu entwickeln. Es benötigt Kapital und Knowhow. Die Salzpfanne liegt etwa 3600 Meter über dem Meeresspiegel und ist sehr niederschlagsreich, weshalb die Förderung, anders als in Chiles Atacamawüste und in Argentiniens Hombre Muerto, nicht mit Hilfe von Verdunstung durch Sonneneinstrahlung erfolgen kann und größere Investitionen erforderlich macht.
Die Verstaalichungspolitik der Morales-Regierung und die geografisch bedingten Abbauschwierigkeiten von Salar de Uyuni haben mehrere transnationale Konzerne abgeschreckt, sie wurden stattdessen in Argentinien tätig. Morales hatte ihnen klar gemacht, dass sie das Lithium nur in Joint Venture mit den staatlichen Gesellschaften Comibol und YLB als gleichberechtigte Partner abbauen können. 2018 hatte die deutsche Firma ACI Systems einem Abkommen mit Bolivien zugestimmt. Nach Protesten von Einwohnern in der Region von Salar de Uyuni hat Morales das Abkommen am 4.November 2019 gekündigt.
Tesla (USA) und Pure Energy Minerals (Kanada) haben großes Interesse an der Lithiumförderung in Bolivien. Doch zu den von der Morales-Regierung gesetzten Bedingungen wollten sie kein Abkommen abschließen. Morales war ein direktes Hindernis für die Übernahme der Lithiumfelder durch westliche Firmen.
Nach dem Putsch stiegen Teslas Aktien in astronomische Höhen.
* Quelle: www.counterpunch.org/2019/11/13/after-evo-the-lithium-question-looms-large-in-bolivia/.
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