Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2020

Ein Roman über den Freund und Mitstreiter von Karl Marx
von Tim Kühnel

Tilman Röhrig: Und morgen eine neue Welt. München: Pendo, 2019. 512 S., 20 Euro

Wie war es wirklich, das Leben von Engels, wie lebte es sich zu der Zeit, wie brachte er zusammen mit Marx seine kommunistischen Ideen unter das Volk und war er wirklich der Frauenheld, wie es so oft heißt?

Passend zum 200.Geburtstag von Friedrich Engels veröffentlichte Tilman Röhrig schon im September 2019 im Pendo-Verlag seine neue Romanbiografie Und morgen eine neue Welt. Teils fundiert und teils interpretiert, beschreibt Tilman die entscheidenden Jahre in Engels’ Leben. Und einer darf da gewiss nicht fehlen, sein bester Freund Karl Marx.
Im Buch begleiten wir aus der Sicht von Engels ihn und Karl Marx durch die Jahre 1845 bis 1851. Also durch die Jahre, in denen sie ihr Kommunistisches Manifest schreiben, immer wieder in ein anderes Land flüchten müssen und die Revolution in Deutschland wieder aufkeimt. Es sind spannende Jahre. Doch sind es auch die spannendsten? Das können die Leserinnen und Leser sich selbst beantworten.
Tilmans Schreibstil ist leicht und locker, bietet aber nicht viel atmosphärische Tiefe, was auch daran liegen kann, dass die Kapitel sehr kurz sind, zwar chronologisch in der richtigen Reihenfolge, aber nicht sehr eng miteinander verwoben. So wirken die beschriebenen Jahre wie viele kurze Einblicke durch die Augen von Engels. Die Kürze der Kapitel ist aber für solche Leser gut, die abends gerne mal ein bis zwei Kapitel lesen.
Interessant ist auch, dass man gefühlt mehr über Marx und sein Familienleben erfährt, als über Engels selbst. So bleibt seine Figur ein wenig oberflächlich, da man auch nicht sehr viel über sein Gefühlsleben erfährt. Lediglich über sein Liebesleben und sein Verhältnis zu Frauen erfährt man ein wenig mehr. Und auch wenn er mit verschiedenen Frauen zu tun hat, bleibt seine wahre große Liebe doch klar: Mary.
Wirklich sympathisch, liebenswürdig und warmherzig lernen wir Helene kennen, das Dienstmädchen im Hause Marx. In Erinnerung bleiben ihre abendlichen Schachstunden mit Marx. Marx’ Frau Jenny, die Baronesse, bekommt dagegen einen kalten und herrischen Charakter. Besonders schön, nachvollziehbar und amüsant beschrieben ist die Beziehung zwischen Engels und Marx:
«Friedrich verabschiedete sich. Er wollte zurück zum German Hotel am Leicester Square. Im Flur hielt ihn Karl auf. ‹Warte!› Er bückte sich und nahm die Ledertasche mit dem Schachspiel aus dem gestapelten Hausrat. ‹Es ist zwar alles notiert, aber wir dürfen, sollen sogar von den Einzelteilen so viele wie möglich zu Geld machen. Also…› Er hielt die Tasche hoch. ‹Kaufe sie mir ab!› Friedrich verstand, er klaubte einige Münzen aus der Rocktasche. ‹Mehr als acht Pennys kann ich dir nicht geben.› ‹Das Geschäft gilt.› Sie tauschten Geld gegen Ware. Karl nickte zufrieden. ‹Und sobald wir wieder sesshaft sind, überlässt du mir das Spiel als Dauerleihgabe.›»
Auch wenn das Buch keinen großen Spannungsbogen hat – lediglich am Ende kommt etwas Spannung auf –, so ist es doch eine Freude, Engels und Marx durch ein Stück ihres Lebens zu begleiten. Wer bisher Marx und Engels nur aus Biografien kennt, dem wird es Vergnügen bereiten, den beiden einmal persönlich zu begegnen.
Positiv hervorzuheben ist, dass man erlebt, wie schwierig es für die beiden war, ihre Ideen zu verbreiten. Dass beide keine klassischen Arbeiter sind und Engels sogar Sohn eines Fabrikbesitzers, spielt dabei eine wichtige Rolle. Ein wenig schade ist es, dass man doch recht wenig erfährt über die Inhalte ihrer Werke, die die beiden so mühselig schreiben und verbreiten.
Durch eine Mischung aus Fakten und Fiktion regt das Buch die Fantasie an und macht Lust darauf, mehr über die beiden zu erfahren. Es gibt den beiden großen linken Theoretikern eine persönliche Note und schafft eine andere Sicht auf ihr Leben. Und morgen eine neue Welt ist eine Reise in die Zeit der industriellen Revolution und eine Zierde im Regal eines jeden, der oder die sich für Marx und Engels interessiert.

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