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Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2020

Australien brennt – Siemens zündelt
von Gerhard Klas

«Eigentum verpflichtet» und soll auch dem «Wohle der Allgemeinheit dienen»? Die Siemens-Affäre ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Widerspruch zwischen Kapital und Allgemeinwohl durch einen Paragrafen im Grundgesetz nicht zu überwinden ist.

Vorstandschef Joe Kaeser, der sich vor wenigen Tagen noch mit vielen anderen Konzernvorständen im Licht des neuerdings grün gewandeten Klaus Schwab, dem Gründer des Weltwirtschaftsforums in Davos, sonnte, hält an einem läppischen 18-Millionen-Auftrag für das Kohlebergwerk Carmichael in Australien fest. Es ist nicht irgendein Kohlebergwerk: Mit seinen fünf Untertage- und sechs Tagebauen will die indische Adani-Group dort eines der größten Kraftwerke der Welt bauen. Bei Inbetriebnahme sollen jährlich 60 Millionen Tonnen Kohle in die energiehungrigen Länder Asiens verschifft werden. Ein Projekt, das jährlich mehr CO2 ausstoßen wird als ganz Österreich und 60 Jahre laufen soll, bis es ausgekohlt ist. Die Pariser Klimaziele würden endgültig zur Makulatur.
In der Öffentlichkeit gibt sich Siemens-Vorstand Kaeser gern als progressiver Manager. Er twittert gerne, hatte sich in der Vergangenheit mit Donald Trump und der AfD angelegt und außerdem verkündet, er wolle Siemens bis 2030 «klimaneutral» umgestalten. Er passe sich dem Zeitgeist an und vernachlässige das Kerngeschäft, warfen ihm deshalb andere Manager vor.
Sechzig andere Konzerne schließen eine Zusammenarbeit mit Adani für die Charmichael-Mine aus, darunter zahlreiche Banken und Versicherungen. Nicht so Siemens. Anfang Januar startete er eine Charmeoffensive gegenüber Fridays for Future (FfF), deren Sprecherin Luisa Neubauer er einen Sitz im Aufsichtsrat anbot. Doch Fridays for Future ließen sich nicht davon beeindrucken, Neubauer lehnte den Sitz im Aufsichtsrat ab und schlug Kaeser vor, ihn doch lieber einem kritischen Wissenschaftler zu geben.
Diese Renitenz zeugt von einer beachtlichen politischen Weitsicht der jungen Bewegung. Sie tut not, damit sich Konzerne nicht mit PR-Tricks aus der Affäre stehlen können, wie sie es immer wieder tun, egal ob es um die Förderung fossiler Energien, Dieselskandal, Textilproduktion oder industrielle Lebensmittel geht.
FfF setzt auf eine weitere Skandalisierung der Affäre anlässlich der Siemens-Aktionärsversammlung am 5.Februar in München. Dabei bleibt FfF seiner neuen Ausrichtung treu: Nicht mehr allgemeine Forderungen an die Politik stehen im Vordergrund, die bis auf einige Lippenbekenntnisse keine Resonanz gefunden haben – siehe Kohlekompromiss. Stattdessen sollen die Wirtschaftsakteure aufs Korn genommen werden, die für die Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.
Das ist gut so. Hoffnung in die Aktionäre ist dabei fehl am Platz: Ihnen bedeuten die Vertragstreue zu Adani und künftige Aufträge mehr als die angekündigte Klimaneutralität bis 2030. Denn Adani ist einer der global aufstrebenden Konzerne – nicht nur im Energiesektor. Die Großaktionäre werden die Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat für das Kohleprojekt absegnen, so die Einschätzung der Kritischen Aktionäre.
Was also tun? Es wird Zeit für eine neue politische Agenda. Zeit, dass Demokratie nicht vor den Türen der Wirtschaft endet, sondern die diktatorische Verfügungsgewalt privater Eigentümer über relevante Produktionseinheiten wie Wasser- und Energieversorgung, Mobilität und Kommunikation eingeschränkt und einer effektiven gesellschaftlichen Kontrolle unterworfen wird. Einer Kontrollinstanz, die soziale und ökologische Kriterien an erste Stelle setzt. Wer den Klimaschutz den Konzernen und der Privatwirtschaft überlässt, hat schon verloren.
Mit anderen Worten: Enteignet Siemens. Das wäre ein Anfang.

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