Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2020

Rechte Gewalttaten jedoch verharmlost
von Hans Peiffer

Seit dem G20-Gipfel in Hamburg hat die Staatsgewalt 3500 staatsanwaltliche Strafermittlungsverfahren durchgeführt. Bei Polizei und Justizbehörden heißt die Marschrichtung für 2020: Allein die Teilnahme an Protesten reicht für ein Strafverfahren.

Alle Achtung! Da kann man mit Kurt Tucholsky sagen: «Justitia schwoft!»

Und Sachsen zieht nach. Im November 2019 wurde auf Landesebene eine neue Sonderkommission, die SoKo «Linksextremismus», eingerichtet. Pünktlich zu Sylvester wird losgelegt: Ab dem Nachmittag kreist ein Hubschrauber über dem Leipziger Vorort Connewitz. Polizeifahrzeuge blockieren die Nebenstraßen, Polizeistreifen gruppieren sich auf den Bürgersteigen, es gibt grundlose Personenkontrollen. Kein Wunder, dass es in der Nacht zu Auseinandersetzungen kommt. Ein Polizist wird verletzt, was sofort zum Mordversuch hochstilisiert wird. Der Leipziger Bürgermeister Burghard Jung (SPD) tönt sogleich: «Der Weg zum politischen Mord ist nicht mehr weit … Man muss mit allen Mitteln eingreifen.» Schon wird eine Woche später ein 27jähriger Künstler zu der vom Staatsanwalt geforderten Strafe von 6 Monaten mit Bewährung verurteilt. Es ist eindeutig erwiesen, dass der Verurteilte nichts, aber auch gar nichts, mit der Verletzung des Polizisten zu tun hatte. Der Polizeieinsatz in Connewitz war eine Eskalation mit Ansage.
Die Kriminalisierung der Autonomen und der linken Szene in Connewitz hat aber auch noch einen anderen Hintergrund. Die jetzigen Bewohner sollen vertrieben werden zugunsten von Immobilienhaien. Schon heute beträgt der Mietpreis 13 Euro je Quadratmeter in Neubauten. Der Ort ist eine Goldgrube für Investoren und Spekulanten. Ältere Bewohner, Linke und jugendliche Antifa stören da nur bei der Umwandlung in ein Nobelviertel.
Politisch links soll zum Feindbild Nr.1 etabliert werden, wie der Antikommunismus während der Adenauer-Ära. Das alles geschieht, während Rechtsextreme mordend durchs Land ziehen (NSU-Morde, der Mord an Walter Lübcke…). Drohungen und Angriffe gegen unliebsame Politiker und Journalisten nehmen zu.
Bei rechten Aktionen können sich AfD und Rechtsextreme auf «die Polizei, dein Freund und Helfer» verlassen. So wurde am 23.November 2019 in Hannover den Rechtsextremen Vermummung zugestanden, während die Journalisten in ihrer Arbeit durch die Polizei massiv behindert wurden. Eine Journalistin meinte dazu: «Es ist wie so oft, die Polizei behindert unsere Arbeit, wir werden abgedrängt und können nicht fotografieren. Sie sehen uns als Störer.»
Das sind jedoch keine Einzelfälle. Zum Jahresende schießt in Köln-Porz ein CDU-Mandatsträger auf feiernde Jugendliche, einer wird in die Schulter getroffen. Der Schütze ist im Besitz von fünf scharfen Waffen, nur vier sind auf einem Waffenschein eingetragen, die fünfte ist aber die gefährlichste. Der Schütze verschwindet, die CDU taucht ab und verzichtet auf eine Stellungnahme. Polizei und Lokalpresse spielen die Tat herunter. Schließlich habe er ja nicht das ganze Magazin abgefeuert. Ich wage nicht mir vorzustellen, was los gewesen wäre, wenn im autonomen oder linken Milieu derartige Waffen gefunden würden.
Am 4.Januar protestieren etwa 60 Rechtsextreme gegen den WDR anlässlich des Oma-Songs. 2000 Gegendemonstranten werden von der Polizei massiv behindert. In einem ihrer Einsatzwagen ist hinter der Windschutzscheibe ein rechtskonservatives Magazin mit der Titelschlagzeile «Kuschelfunk – ARD und ZDF auf Regierungskurs» platziert. Es kommt von rechts zu einer Messerattacke, auch dieser Vorfall wird von der Polizei verharmlost.
Die Reaktionen von Polizei und Justizapparat belegen, dass in diesen Staatsorganen Hass auf Linke, rassistische Einstellungen und rechte Gesinnung weit verbreitet sind. Und die Diensthabenden werden immer wieder durch Äußerungen etablierter Politiker in ihrer Haltung bestärkt.

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