Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ist alles andere als «sauber»
von Rolf Euler
Im nördlichen Ruhrgebiet ragt ein Kühlturm gut sichtbar über alle anderen Erhöhungen und Gebäude, höher als der Kölner Dom: Es ist das umstrittenste Kraftwerk der Republik, Datteln 4. In der Klimabewegung ist dieses Kraftwerk zum neuen Angelpunkt von Protesten geworden.
Am 24.Januar zog eine große Demonstration von «Fridays for Future» und Umweltgruppen vor das Kraftwerk. Der Grund: Abgesehen von der unrühmlichen Geschichte dieses Kraftwerks wird mit der geplanten Inbetriebnahme sogar der mangelhafte Beschluss der Kohlekommission vom vergangenen Herbst verletzt. Dort hieß es, dass ältere Kraftwerke stillgelegt werden und noch nicht in Betrieb befindliche Kohlekraftwerke nicht ans Netz gehen sollen.
Der Betreiber Uniper (früher Eon) hat in Verhandlungen mit Landes- und Bundesregierung nun ausgemacht, dass das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 trotz dieses Beschlusses im Sommer 2020 voll ans Netz gehen soll, nach einem Probebetrieb in diesem Winter.
Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 war vor 14 Jahren als Ersatz für sehr alte Kraftwerke beantragt worden. Dagegen hatten BUND und Anwohner geklagt, da mit dem Bebauungsplan Abstands-, Umwelt- und Immissionsschutzgesetze verletzt wurden. Hier wurde gebaut mit 450 Metern Abstand zur Wohnbebauung. Urteile bis zum Bundesverwaltungsgericht 2013 bestätigten die Rechtsauffassung der Klagenden und verfügten einen Baustopp. Der Betreiber hatte bereits mit dem Bau begonnen und 1 Mrd. Euro investiert, allerdings zugesagt, bei ungünstigem Ausgang des Verfahrens das Kraftwerk zurückzubauen.
Doch die Lobbytätigkeit für Eon hatte insofern «Erfolg», als die Landesregierung ein sog. «Zielabweichungsverfahren» durchführte, um den unrechtmäßigen Bebauungsplan zu «heilen». Der daraufhin erneut gestellte Bauantrag wurde mit einem geänderten Bebauungsplan erneut von der Stadt Datteln genehmigt, aber ebenso vom BUND beklagt, weil weder Immissionsrecht noch andere Normen eingehalten werden. «Bis heute verfügt das Kraftwerk Datteln IV damit nicht über eine rechtskräftige Genehmigung», schreibt der BUND auf seiner Homepage.
Diese Vorgeschichte ist natürlich allen Klimaschützenden bekannt. Hinzu kommt, dass die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks, das mit Importkohle unter anderem aus Polen oder der Ukraine betrieben werden soll, fraglich ist. Der ursprünglich verbaute Kessel war aus anfälligem Stahl und musste komplett erneuert werden, was die Baukosten auf inzwischen rund 1,5 Mrd. Euro hochtrieb. Des weiteren sollte Bahnstrom und Fernwärme hergestellt werden, inzwischen wirbt die Bahn aber damit, dass der Fernverkehr mit «grünem Strom» betrieben werde. Weiter hieß es, RWE wolle den Stromkaufvertrag rückgängig machen, da er zu teuer wäre – hier wurde anscheinend eine Schiedsregelung gefunden.
Der BUND und auch Fachleute im WDR (www.quarks.de) haben nachgewiesen, dass die Behauptung, Datteln 4 werde bei Stilllegung anderer Kraftwerke CO2 einsparen, nicht zu halten ist. Erstens sind die Altkraftwerke in Datteln bereits umgestellt auf andere Energieträger. Zweitens würde ein wirtschaftlicher Betrieb von Datteln 4 eine Stromproduktion im Dauerbetrieb erfordern, wogegen andere stillzulegende Kraftwerke im Teilzeitbetrieb gefahren werden. Ebenfalls ist nicht eingerechnet, dass die Importkohle wegen des Transports zusätzliche CO2-Emissionen erzeugt.
Die Klimabewegung kritisiert außerdem, dass sich die Stromerzeuger nicht um die schlechte Lage der Bergleute und der Umwelt in den kohleexportierenden Ländern kümmern. Sie wollen sowieso einen deutlich früheren Ausstieg aus der Verfeuerung von Kohle in Kraftwerken als die Kohlekommission und die Landesregierung NRW. Sowohl Ministerpräsident Laschet als auch die Stadt Datteln wollen das Kraftwerk unbedingt ans Netz bringen, ungeachtet der Umweltfolgen und ungeachtet des Gerichtsverfahrens.
Im Ruhrgebiet kennt man noch gut eine Krimireihe mit dem Titel «Das Ekel von Datteln», mit denen die Machenschaften des damaligen Bürgermeisters und Pressesprechers der IG-BCE-Vorläuferin IG Bergbau und Energie, Horst Niggemeier, kaum verhüllt in Romanform gebracht wurden. Anhand des Kraftwerkes Datteln 4 gäbe es genug Anlass zu neuen «Krimis», die Realität geworden sind.