Hamsterkäufe und Sonntagsarbeit
Gespräch mit einer Verkäuferin
Neben dem Gesundheitssektor sind die Beschäftigten im Einzelhandel die neuen AlltagsheldInnen. Ohne sie würde nichts mehr laufen. Corona macht ihnen allerdings den Arbeitstag zur Hölle, weitermachen müssen sie trotzdem, denn das Geld muss irgendwoher kommen.
Tim Kühnel im Gespräch mit einer Verkäuferin in einem Supermarkt.
Wie sieht die Situation vor Ort bei euch gerade aus?
Ich kann dir nur sagen, wie es aktuell aussieht, das ändert sich jeden Tag. Die Situation ist sehr stressig. Viele KundInnen hamstern nach wie vor Vorräte, obwohl wir täglich Lieferungen bekommen. Toilettenpapier wird halt knapp, wenn Menschen dreimal soviel kaufen wie sonst. Wäre das nicht, wäre die Situation nicht so angespannt. Es nervt, wenn jede zweite KundIn nach Toilettenpapier, Mehl, Nudeln, Reis und Hygieneprodukten fragt. Ein zusätzlicher Stressfaktor ist, dass auch wir Angst vor Ansteckung haben. Wir haben Tag für Tag mit vielen Menschen zu tun und sind nicht immun gegen das Virus. Es gibt einen erhöhten Arbeitsaufwand und die Gesamtsituation ist demotivierend.
Wie geht ihr damit um?
Wir arbeiten halt weiter, es hilft ja nichts, das Geld muss irgendwo herkommen. Ansonsten klopfen wir dumme Sprüche und versuchen, uns gegenseitig aufzubauen.
Was könnte der Einzelhandel für Maßnahmen unternehmen, um Hamsterkäufe zu vermeiden?
Mengenbegrenzungen (pro Person nur zweimal Mehl, zweimal Milch usw.). Die sind in großen Märkten allerdings schwer umzusetzen, weil sich all die Artikel, die sich KundInnen zuviel in den Einkaufswagen geladen haben, dann an der Kasse stapeln.
Sind Maßnahmen wie in Dänemark denkbar, mit den Klebepunkten vor den Kassen zur Wahrung des Abstands?
Die haben wir seit gestern, genauso wie Abstandhalter an den Bedientheken und Kassen. Auch sollen sich maximal 500 Leute im Markt aufhalten, mein Markt ist allerdings auch riesig. Das wird von der Security kontrolliert. Die 500 BesucherInnen richten sich nach der Anzahl der verfügbaren Einkaufswagen. Nach Möglichkeit sollen KundInnen mit Karte zahlen. Zu ihrem eigenen Schutz werden sie mündlich und mit sichtbaren Plakaten dazu aufgefordert, einen Sicherheitsabstand von 2 Metern einzuhalten.
Wie schützt ihr euch?
Wir desinfizieren regelmäßig Telefone, das Mobile Datenerfassungsgerät, u.ä.. Ab sofort haben wir nur noch bis 19 Uhr geöffnet und sonntags geschlossen. Wir waschen uns regelmäßig die Hände, einige KollegInnen tragen Handschuhe bei der Arbeit. Doch jeden Tag kommen neue Maßnahmen dazu.
Was haltet ihr von der eventuellen Aufhebung des Sonntagsverkaufsverbots?
Gelinde ausgedrückt, gar nichts. Viele Leute nutzen Homeoffice und können an sechs Tagen die Woche einkaufen. Da müssen wir echt nicht auch noch sonntags aufmachen! Es ist eine gute Entscheidung von den Geschäftsführern – ich glaube, die waren das bei uns –, dass das zumindest bei den Regiemärkten nicht gemacht wird.
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