Reaktionen von Beschäftigten auf die Maßnahmen gegen die Coronakrise
von Joe DeManuelle-Hall und Jane Slaughter*
Direkte Aktion zahlt sich aus. Wenn dein Arbeitgeber sich immer noch so benimmt, als würde das Leben der Beschäftigten nicht zählen, nimm dir ein Beispiel an Gewerkschaftsmitgliedern, die ordentlich Muskeln zeigen bevor sie verhandeln – sie machen den Laden einfach dicht.
Die BusfahrerInnen von Detroit erklärten am 17.März gemeinsam, sie würden ohne Schutzmaßnahmen nicht zur Arbeit gehen. Sie besprachen sich an den beiden großen Busbahnhöfen der Stadt, sagten zum Management: «Wir arbeiten auf keinen Fall ohne Schutz» und riefen ihre Gewerkschaft. Da kein Fahrer bereit war, die Busse zu fahren, wurde der Service in der ganzen Stadt eingestellt. Der Bürgermeister wurde zum Busbahnhof gerufen und musste sich von den Fahrern einiges über unsichere Arbeitsbedingungen anhören.
Indem sie kurz die Arbeit niederlegten, weniger als 24 Stunden lang, setzten sie all ihre Forderungen durch. Während der Coronakrise werden keine Tickets verkauft, damit es keinen direkten Kontakt zwischen Fahrer und Fahrgast gibt. Das Reinigungspersonal wird aufgestockt und hat strenge Reinigungsprotokolle einzuhalten.
Im Louvre
Ganz ähnliches trug sich in den frühen Tagen der Krise in Frankreich zu. Beschäftigte des berühmten Louvre in Paris machten alles dicht, bis das Management verhandelte. Als in Frankreich dann der 100.Fall diagnostiziert wurde – am Sonntagmorgen, dem 1.März – verhinderten die KollegInnen, angeführt von der militanten CGT, dass das Museum geöffnet wurde. Stattdessen trafen sie sich mit der Geschäftsleitung. Die Beschäftigten machten sich Sorgen über große Menschenmengen und fehlende Schutzmaßnahmen. Am Ende des Treffens stimmten die 300 Angestellten dafür, das Museum zu schließen.
Die darauffolgenden drei Tage verhandelten Gewerkschaftsvertreter mit der Geschäftsleitung über die Bedingungen für eine Wiedereröffnung. Die Gewerkschafter schlugen vor, die Publikumszahlen zu halbieren und die Angestellten mit Masken und Handschuhen auszustatten – beides schmetterte das Management ab.
Am Mittwochmorgen stimmten die Beschäftigten dann dafür, das Museum wieder zu öffnen, nachdem sie einige Forderungen erreicht hatten:
– Angestellte erhalten Händedesinfektionsmittel;
– KassiererInnen müssen kein Bargeld akzeptieren, nur Kartenzahlung. Sie werden zusätzlich geschützt, indem sie nur durch Glas mit Museumsbesuchern Kontakt haben;
– Angestellte müssen nicht mehr die riesigen Mengen vor der Mona Lisa auseinandertreiben. Zuvor mussten sie dafür durch zahllose selfieschießende Besucherschwärme waten. Der Louvre ist das meistbesuchte Museum der Welt und Leonardos Porträt das beliebteste Bild. Später wurde das Museum natürlich wie alle anderen geschlossen, da die Regierung Versammlungen von mehr als 100 Menschen untersagt hat.
Die Beschäftigten des Louvre sind gewohnt zu streiken. In den letzten Jahren legten sie schon einmal die Arbeit nieder wegen der Überfüllung rund um die Mona Lisa während einer Renovierung. Ihre Aktion führte dazu, dass zusätzliches Personal eingestellt wurde. Und im Januar schlossen sie zusammen mit Bündnispartnern das Museum als Teil der landesweiten Streiks gegen die geplanten Rentenkürzungen der Regierung.
Automobilarbeiter
Aber auch Beschäftigte, die streiken nicht gewohnt sind, haben zu Notmaßnahmen gegriffen. An drei Standorten von FCA (Fiat-Chrysler) nahe Detroit gab es wilde Streiks. Das Spitzenpersonal der Autogewerkschaft UAW hatte zuvor eine Task Force zusammengestellt und die Großen Drei (GM, Ford, FCA) der Automobilindustrie freundlich nach einem Produktionsstopp für zwei Wochen gefragt. Doch die Unternehmen sagten nein.
Am 17.März machten ArbeiterInnen beider Schichten die Tore dicht. Ehrlicherweise muss man ergänzen, dass es inzwischen auch Berichte über Covid-19-Erkrankungen unter den AutomobilarbeiterInnen gab. Erst daraufhin wurde die Entscheidung gefällt, die Produktion zu stoppen (wenn auch erstmal nur bis zum 30.März).
AutomobilarbeiterInnen in Spanien und Italien sind schon vorher in den Streik getreten, um ihre widerspenstigen Arbeitgeber zur Vernunft zu bringen und die Produktion stillzulegen.
Wenn du das Glück hast, eine Gewerkschaft zu haben, die bereits gute Schutzmaßnahmen ausgehandelt hat, ist das großartig. Wenn nicht, dann gilt wie immer: Mit Streiks erregt ihr die Aufmerksamkeit vom Boss.
* Quelle: labornotes.org, 19.3.2020.
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