An den Rand notiert
von Rolf Euler
Die Post hat angekündigt, die Fertigung des Elektro-Lieferwagens Streetscooter zum Jahresende einzustellen.
Das von einem Aachener Startup entwickelte Fahrzeug – ein einfacher und zweckmäßiger Lieferwagen mit Batterien – wurde 2018 von der Post übernommen, das Unternehmen aufgekauft. Die Post versorgte sich mit den Autos selber, um das Auslieferungswesen umweltfreundlicher zu gestalten und den Dieselbetrieb abzulösen.
Das Aus für den Bau des Streetscooters kommt aber nicht, weil die Post – ähnlich wie diese Zeitung – die Entwicklung des e-motorisierten Individualverkehrs etwa für eine Sackgasse hält, sondern weil sie mit der Produktion der Scooter inzwischen angeblich 500 Millionen Euro Verlust macht.
Dabei ist gerade die Auslieferung von Post und Paketen einer der (wenigen) sinnvollen Einsatzbereiche für Elektroautos, neben Lastenfahrrädern, die es ja auch inzwischen mit Elektrounterstützung gibt. Denn bei dem typischen Fahrzyklus von Paketautos in Städten vermindert der Elektroantrieb natürlich den lokalen Schadstoffausstoß. Die Lademöglichkeiten mit günstigem Nachtstrom an den zentralen Auslieferungsstationen, der ja als Ökostrom geordert werden kann, sind technisch einfacher bereitzustellen als für Privatautos. Die begrenzte Reichweite der heutigen Batterien im Bereich von rund 150 bis 200 Kilometern ist für Postauslieferungsfahrzeuge keine Hürde. Da der Übergang auf umweltfreundlichen Verkehr Jahre dauern wird, wäre gerade die Produktion solcher kleinen Nutzfahrzeuge eine Investition in die Zukunft der nach wie vor nötigen Postdienste.
Hatte man schon gedacht, solche Nützlichkeitserwägungen stünden bei der Entscheidung der Post für die Produktion der Streetscooter an erster Stelle, so müssen wir uns leider erneut davon überzeugen lassen, dass Nutzen und Ökologie hinter der kapitalistischen Gewinnrechnung zurückzustehen haben.
Die Deutsche Post rühmt sich, als Privatunternehmen gut dazustehen. Das Porto wird ständig erhöht. Die Aktienkurse (abgesehen von der Corona-Beule) stiegen. Sonst heißt es immer, jeder Investor muss bei neuen Produkten Anlaufzeiten, Mängelbeseitigung, Schwierigkeiten abschätzen und einen «längeren Atem» haben – das wollte die Post anscheinend nicht abwarten. Eine andere Möglichkeit, die Firma direkt mit einem vorhandenen Autoproduzenten zu verbinden, um die Arbeitsplätze zu sichern, hat bisher nicht funktioniert.
Politiker reden landauf, landab von alternativen Arbeitsplätzen für den ökologischen Umbau der Produktion. Elon Musk und seinen teuren E-Autos breitet man mit öffentlichen Geldern den roten Teppich aus. Jeder, der die Verhältnisse bei den Logistikunternehmen kennt, weiß, wie wichtig die Umstellung vor allem in der Paketauslieferung – der sogenannten «letzten Meile» – ist, wo sich die (dieselgetriebenen) Lieferwagen der verschiedenen Paketdienste in der Stadt und an den Straßenrändern wie Perlen auf der Schnur aufreihen. Hier ist der Streetscooter bei aller Skepsis eine alternative Möglichkeit. Stattdessen werden Elektroroller auf die Straßen geworfen, mit denen man kaum ein Päckchen zur Post bringen, geschweige denn eine Alternative zum Autoverkehr bilden kann.
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