Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
Arbeitskämpfe 25. März 2020

Weniger als ein Linsengericht
von Jakob Schäfer

Der IGM-Tarifabschluss vom 20.3.2020 bringt für die KollegInnen weder eine Entgelterhöhung noch mehr Sicherheit für ihren Arbeitsplatz.

Als Gegenleistung für fünf freie Tage für die Kinderbetreuung, «wenn dies [wegen der Corona-Krise] zwingend erforderlich ist», und einer geringen Aufstockung des Kurzarbeitsgelds (KuG) ist die Gewerkschaft nun gezwungen, bis Ende des Jahres die Füße stillzuhalten.
Laut Erklärung des IGM-Vorstands ist die «laufende Tarifrunde aufgrund der Coronapandemie unterbrochen». Die Friedenspflicht endet jetzt am 29.Januar 2021, bis dahin kann das Kapital ungehindert weitere Entlassungen vornehmen, die Arbeitshetze steigern und die KollegInnen auch in der Produktion nicht notwendiger Güter Gesundheitsgefahren aussetzen.
Laut Mitteilung der IGM wurde Folgendes vereinbart:
– Regelungen zur Kurzarbeit, die die Nettoentgelte der Beschäftigten auf dem Niveau von etwa 80 Prozent absichern können. Dies geschieht durch eine Abschmelzung der Sonderzahlungen und einen Arbeitgeberzuschuss von 350 Euro je Vollzeitbeschäftigten.
– Bei Schließung von Kitas und Schulen können Eltern mit Kindern bis zu zwölf Jahren acht freie Tage für die Kinderbetreuung nehmen an Stelle des tariflichen Zusatzgeldes. 
– Zusätzlich erhalten Beschäftigte in diesem Jahr für die Betreuung von Kindern – soweit zwingend erforderlich – mindestens fünf freie Tage ohne Anrechnung auf den Urlaub, das Entgelt wird weitergezahlt.

Mein Kommentar dazu:
Erstens ist die Aufstockung des KuG in weiten Bereichen – etwa im gesamten Tarifbezirk Baden-Württemberg – schon längere Zeit tarifvertraglich geregelt. Dort wird auf 90 Prozent des Nettoentgelts (stellenweise sogar mehr) aufgestockt. Nicht dass es prinzipiell richtig wäre, dass die Bundesregierung dafür Steuermittel aufbringt, wie dies eine gerade laufende Petition einfordert (www.change.org), aber nicht mal diese Messlatte von 90 Prozent wurde von der IGM angelegt.
Zweitens soll für die Finanzierung der KuG-Aufstockung auch noch ein Teil des Tarifentgelts, nämlich die «Sonderzahlung», also das Weihnachtsgeld, herangezogen werden. Der Zuschuss von 350 Euro ist da nur ein Klacks.
Drittens wird die Umwandlung des Entgeltbestandteils T-Zug (tarifliches Zusatzentgelt) in freie Tage ausschließlich von den Beschäftigten selbst bezahlt. Dieser Tarifbestandteil wurde bereits in der letzten Tarifrunde vereinbart, jetzt wurde lediglich die Umwandlungsmöglichkeit vereinbart. Jetzt gilt die Regelung darüberhinaus auch für die Betreuung von Kindern bis zu 12 Jahren (bisher 8 Jahre), aber das reicht in Zeiten der Coronakrise natürlich vorne und hinten nicht.
Dieser mickrige Abschluss, der nur den Interessen des Kapitals genügt (Gesamtmetall nennt den Abschluss «verantwortungsvoll»), wurde unter völliger Umgehung der Mitgliedschaft durchgezockt. Dies war allerdings schon im ganzen Konzept für die diesjährige Tarifrunde angelegt, als der IGM-Vorstand noch vor Ausbruch der Coronakrise im Januar beschloss, mit Gesamtmetall ein Moratorium zu vereinbaren und noch vor Ende der Friedenspflicht (28.4.) einen Tarifabschluss zu vereinbaren.*
Von dem, was man angesichts der Coronakrise von einer Gewerkschaft erwarten müsste, ist bei diesem Tarifabschluss nun wirklich gar nichts zu merken. Im Vordergrund steht hier die Sicherstellung der weiteren ungehinderten Kapitalverwertung, was vor allem dadurch erreicht wurde, dass mit der Verlängerung der Friedenspflicht bis zum 29.Januar 2021 dafür gesorgt wurde, dass es zu keiner Produktionsunterbrechung durch Warnstreiks oder gar durch einen Erzwingungsstreik kommt.
Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) hat dazu in einer Erklärung einen Gegenstandpunkt formuliert.

* Siehe dazu auch den Bericht vom Branchentreffen Metall auf der Strategiekonferenz für kämpferische Gewerkschaftspolitik (25./26.1.2020), sowie den Flyer, der anschließend in verschiedenen Betrieben verteilt wurde, und die Erklärung auf www.vernetzung.org/.

Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.