Frankfurt a.M.: S.Fischer, 2019. 432 S., 22 Euro
von Rolf Euler
Eigentlich müsste man für das Buch von Edward Snowden nicht mehr groß werben, es stand im letzten Jahr wochenlang auf der Sachbuchbestenliste. Aber die Geschichte dieses einzigartigen Falls von Whistleblowing, seine eigene Geschichte von ihm selber aufgeschrieben, gehört jenseits der Aktualität zu den Grundlagen demokratischer Aufklärung.
Der Weg des Edward Snowden vom umsorgten Jugendlichen, der mit allen Neuerungen der Computertechnik versorgt ist, vom «Freak», der nächtelang das Telefonmodem besetzt hält, vom «Hacker» zum Profi in Sachen Datenverarbeitung und geheimen Techniken ist spannend, authentisch und gut lesbar erzählt. Seine Eltern waren bereits Geheimnisträger, er kam aufgrund seiner IT-Kenntnisse und einiger Zufälle vom Programmierkünstler zu Anstellungen im staatlichen Dienst. Überzeugt, einem demokratischen Staatswesen mit einer guten Verfassung zu dienen, stieg er nach dem 11.September 2001 in der geheimen Welt der Dienste und der ihnen angeschlossenen Firmen auf.
Seine Lehrjahre beim CIA brachten ihm die Kenntnisse über das Bestreben des Geheimdienstes, «alles über alle» zu wissen, und wie das technisch ausgebaut wurde. Snowden schildert, wie über die Jahre seine Widersprüche zu dieser Art Überwachung immer weiter wuchsen, bis er feststellte, dass die Geheimdienste die gesamte amerikanische Bevölkerung im Auge hatten – jeder, der mal telefoniert, im Internet gesurft und gemailt hatte, war ein potenzielles Ziel. Das konnte er mit seinen Überzeugungen und den Grundlagen der amerikanischen Verfassung nicht vereinbaren.
Seine Lösung aus dem Dienste-Gehorsam, seine Bemühungen, in seiner Stellung an Material zu kommen, das die Vergehen der Geheimdienste belegte, seine Zweifel und Zerrissenheit, seine Mühe bei der Wahrung seines Privatlebens mit seiner Lebenspartnerin – das macht dies Buch zu einer berührenden Lebensgeschichte.
Die Speicherung der gefundenen Daten und der Transport aus dem überwachten Gebäude, auf Minispeicherkarten in einem Zauberwürfel versteckt, wird mit allen technischen Details und Finten erzählt, und die Anspannung und Dramatik über Wochen kann der Lesende nachvollziehen, bis die Daten schließlich an die Journalisten Glenn Greenwald, Laura Poitras, Ewen MacAskill und Bart Gellman im Mai 2013 in Honkong übergeben waren und in der Öffentlichkeit seine Enthüllungen erschienen.
Nebenbei gibt Snowden in dem Buch eine Lehrstunde in Verschlüsselung und Datensicherheit.
Dass Snowden die Reise nur bis nach Moskau gelingt und alle Welt ihm Asyl oder gesicherten Status verweigert, ist die bittere Folge seiner Handlungen, zu denen er steht. Glück hat er, dass seine Lebensgefährtin, monatelang bedrängt vom Geheimdienst, ihm nach Moskau folgt. Seine Verbindungen in die Welt über die Community der Enthüllungsjournalisten, der Open-Source-Bewegung und anderer Sympathisanten kann natürlich den prekären Status in Moskau nicht überdecken.
Wie bei allen guten Büchern gilt für Permanent Record: Lesen, besinnen, Datenwachsamkeit üben, und: Weitergeben!
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