Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2020

Sicherheitskräfte sorgen für unsere Sicherheit – Wie aber sieht es mit ihrer eigenen aus?
Gespräch mit einer Sicherheitskraft

Sie stehen an der Pforte beim Krankenhaus, beim Baumarkt, im Supermarkt. In der jetzigen Zeit sind sie umso gefragter und Teil der systemrelevanten, aber auch prekären Bereiche. Genannt werden sie noch nicht so oft: die Sicherheitskräfte.

Violetta Bock sprach mit KLAUS (Name von der Redaktion geändert).

Was sind derzeit deine Tätigkeiten?

Ach, meine Tätigkeit umfasst derzeit vieles. Ich bin bei einem Krankenhaus eingesetzt, und da kümmere ich mich vor allem darum, dass keine Besucher reinkommen – außer in Ausnahmefällen, etwa wenn es um Kleinkinder oder den Tod von Angehörigen geht. Außerdem werde ich geholt, wenn mal auf einer Station durch Patienten Stress entsteht. Die nächste Aufgabe ist Streife laufen, d.h. wir haben Wegpunkte, die müssen abgelaufen werden, um nach dem Rechten zu schauen.

Man hört jetzt viel von systemrelevanten Berufen. Hat sich bei euch durch Corona was geändert?

Ich kann sagen, dass ich tariflich bezahlt werde. Hier in Hessen sind das 10,75 Euro, wir kriegen auch sämtliche Zuschläge. Da kann ich nicht meckern und da wird auch drauf geachtet. Es gibt auch das Gerücht, dass wir einen Bonus kriegen sollen, aber sicher ist da noch nichts. Ich fände das gut, weil wir ja wirklich an vorderster Front hängen.

Wie sieht es bei euch mit Schutzmaßnahmen aus?

Da kann ich mich nicht beschweren. Unser Chef passt penibel auf, dass wir Hygieneartikel bekommen: Maske, Schutzkleidung, Handschuhe, Desinfektionsmittel. Unser Personaler hat klipp und klar gesagt, wenn wir diese Sachen nicht kriegen, werden wir von der Arbeit abgezogen, denn er möchte die Mitarbeiter nicht der Gefahr aussetzen. Das fordert er vom jeweiligen Kunden, sei es nun ein Krankenhaus oder ein Supermarkt. Das Krankenhaus ist da auch selbst penibel hinterher, sowohl bei uns als auch beim Reinigungspersonal. Sich für andere die Gesundheit oder das Leben kaputt zu machen, das muss ja nicht sein. Ich muss da auch aufpassen, weil ich als Lungenkranker selbst zur Risikogruppe gehöre.

Und dein Chef lässt dich trotzdem arbeiten?

Ja, sonst fehlen ja Leute. Und wer soll mir das sonst bezahlen? Bei uns ist eine bezahlte Freistellung nicht drin. Und wenn man nicht arbeitet, wird man schnell wieder zum Jobcenter gejagt.

Wird irgendwie drauf geachtet, dass du Posten bekommst, wo du geschützter bist?

Nein, ich verdiene Geld und dann muss ich zusehen. In anderen Bereichen regnet es Hilfen und Fördermittel, aber die Arbeitenden und Alleinstehenden machen eine lange Nase. Ich habe durch die Krise auch eine zusätzliche Belastung, weil ich die Arbeitskleidung nun viel öfter waschen muss. Das zahlt mir auch niemand.

Was würdest du dir wünschen?

Man hört so viel von den Helden im Alltag: Ärzte, Feuerwehr, Polizei, aber erstens werden Kinder viel zu wenig genannt, obwohl sie gerade mit am meisten leiden und zweitens werden die Sicherheitsleute vergessen. Von den Patienten reagieren viele sehr positiv. Wir machen das Ganze ja in erster Linie für sie. Manche Kollegen beim Besucherverkehr wurden auch schon von der Nachbarschaft mit Kaffee und Essen versorgt, gerade jetzt während Corona. Aber offiziell werden die Sicherheitskräfte nirgendwo aufgeführt, dabei halten sie den Kopf hin, damit Ärzte und Pflegepersonal arbeiten können. Die Leute sind an vorderster Front, kloppen Stunden noch und nöcher, bei uns sind 12 Stunden die Regel, und die Familie sitzt zu Hause und muss jedesmal Angst haben, dass der Partner nicht wieder nach Hause kommt und im Krankenhaus landet, weil irgendwer ausrastet. Das sollte schon mal erwähnt werden.

Meinst du, ihr könntet jetzt nicht auch bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen?

Im Sicherheitsgewerbe kräht kein Hahn nach. Da heißt es, wie, du willst nicht? Dann müssen wir uns trennen. Und wenn es jetzt nicht ist, dann spätestens, wenn die Krise vorbei ist. Allein auf weiter Flur bleibst du auf der Strecke, egal wie viel Stunden du gekloppt hast. Da wirst du nur zum Störfaktor. Es wäre gut, wenn gewerkschaftlich was in der Branche passieren würde, allein um die schwarzen Schafe auszusieben, die die Leute ausbeuten. Aber in der jetzigen Zeit sollte man an einem Strang ziehen, umso schneller haben wir’s hinter uns.

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