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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2020

Ver.di fordert Notfallprogramm für den ÖPNV
von Helmut Born

Die mit viel Engagement und vielfältigen Diskussionen vorbereitete Tarifrunde zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ist Anfang April aufgrund der mo­mentan alles bestimmende Co­rona-Pandemie ausgesetzt worden. Dies bedeutet, dass es wo­möglich auf absehbare Zeit keine Verhandlungen, geschweige denn Aktionen geben wird.


Dies wird sicherlich Auswirkungen auf die im Sommer und Herbst anstehende Tarifrunde im öffentlichen Dienst haben, die ja zeitlich parallel zur Tarifrunde im Nahverkehr laufen sollte. Dass es nicht einfach werden wird, eine Tarifrunde zu einem guten Abschluss zu führen, bedarf keiner großen prophetischen Weitsicht. Bleibt zu hoffen, dass Ver.di nicht dem Beispiel der IG Metall folgt und der Aussetzung der Tarifrunde eine generelle Verzichtserklärung folgen lässt.
Am 7.April hatte Ver.di ein Notfallprogramm für den öffentlichen Personennahverkehr gefordert. In der Pressemitteilung wird die Situation, in der sich der öffentliche Personennahverkehr befindet, ziemlich ausführlich und dramatisch beschrieben. Aufgrund der Schul- und der meisten Geschäftsschließungen und wegen der Verlagerung von Büroarbeiten ins Homeoffice ist die Zahl der Fahrgäste massiv gesunken. Hinzu kommen die Empfehlungen verschiedener «Fachleute» und Politiker, den ÖPNV derzeit wegen Ansteckungsgefahr zu meiden und, wenn möglich, auf das Auto oder das Fahrrad umzusteigen. Dies hat zu einem Rückgang der Einnahmen um 50 Prozent geführt.
Ver.di fordert, dies dürfe nicht zulasten der Beschäftigten und der Unternehmen gehen. Stattdessen verdiene der ÖPNV breite Unterstützung aus den Töpfen der bislang nicht ausgegebenen Gelder von Bund und Land, die ursprünglich zur Verbesserung und Modernisierung des ÖPNV vorgesehen waren. Sollten diese Mittel nicht reichen, müssten Bund und Land weitere Mittel zur Verfügung stellen, da die Kommunen diese Last allein nicht tragen könnten.
Das Ziel des gewerkschaftlichen Notfallprogramms ist die Erhaltung und Sicherung der Einkommen und Arbeitsplätze der Beschäftigten in den öffentlichen und privaten Verkehrsunternehmen sowie bei ihren Subunternehmern und eine garantierte Mobilität durch den ÖPNV. Die Abrufung der Gelder müsse an Bedingungen geknüpft werden. Die Unternehmen müssen den Erhalt der Arbeitsplätze und weitestgehend die Sicherheit der Einkommen der Beschäftigten gewährleisten; Tarifbindung müsse Voraussetzung sein. Ansprüche aus dem Notfallprogramm müssten von den Unternehmen mit entsprechenden Verlustnachweisen belegt werden.
Darüber hinaus fordert Ver.di zur kurzfristigen Sicherung der Liquidität in den Bundesländern, die Mittel unter anderem für den Schülerverkehr 2020 sofort komplett an die Kommunen und Unternehmen auszuzahlen.
Reaktionen auf die Forderungen von Ver.di nach einem solchen Notfallprogramm sind bisher nicht bekannt. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass es in Zukunft eine Rolle spielt. In den meisten, vor allem in den öffentlichen Unternehmen ist Ver.di stark organsiert und auch in den Aufsichtsräten vertreten. Sicherlich wird der ÖPNV in naher Zukunft auch wieder von mehr Menschen genutzt und Busse und Bahnen wieder voller werden. Die Unternehmen haben inzwischen auch Kurzarbeit eingeführt und bekommen damit einen Teil der Personalkosten erstattet.
Wichtig bei alledem ist, dass Ver.di über der Sicherung der Einkommen und Arbeitsplätze der Beschäftigten seine weitergehenden Ziele nicht aus den Augen verliert: Stärkung des ÖPNV, um die Klimakatastrophe abzuwenden; gleiche tarifliche Bezahlung in allen Unternehmen, egal ob öffentlich oder privat; und einen weitgehenden öffentlichen ÖPNV.

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