Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2020

Von Betrügern, Lobbyisten und dem Verkauf einer Kaufprämie
von Violetta Bock

Es waren noch nicht die ersten Lockerungen verkündet, als die Automobilindustrie bereits nach Hilfe in der Corona-Krise rief.

Wir erinnern uns: Die Wirtschaftskrise hatte sich bereits 2019 inklusive Arbeitsplatzabbau angekündigt. Krisen gehören zum Kapitalismus, die Deindustrialisierung Deutschlands schreitet voran. Für manche Autobauer kam Corona da gerade Recht. Zumindest klingt es seitdem so, als wäre Corona Ursache statt Beschleuniger der Krise. Das hilft, Staatsgelder locker zu machen.

Ganz so einfach ging es dann doch nicht, auch wegen der Öffentlichkeit. Anfang Mai gaben in einer Umfrage des ARD Deutschland-Trend von den gut 1000 Befragten 63 Prozent an, dass sie eine Abwrackprämie ablehnen. 22 Prozent befürworteten sie für klimafreundliche Autos. Nur 12 Prozent stimmten für eine Kaufprämie unabhängig von ökologischen Kriterien. Soweit erstmal nicht überraschend. Ebenso wenig überraschend die Bundesländer, die der Autolobby sofort zur Seite sprangen und noch vor dem Autogipfel am 5.Mai konkrete Forderungen in die Debatte warfen: Söder (CSU, BMW), Weil (SPD, VW) und Kretschmann (Grüne, Daimler).

Als Vorwand genommen wird natürlich das Arbeitsplatzargument, als würden Autos produziert, damit Menschen arbeiten. Sie nennen Prämien zwischen 1000 und 4000 Euro (ergänzend zu bestehenden Ökoprämien), je nach Fahrzeugtyp. Die unsichtbare Hand des Marktes, Angebot und Nachfrage, das war mal. Für sie ist die Autoindustrie das Zugpferd der Wirtschaft, deswegen muss sie mit Steuergelder gemästet werden. Ein Volk für einen Wagen!

Bereits der Autogipfel am 5.Mai war scharf kritisiert worden. Mitten in der Klimakatastrophe saßen dort die Bundesregierung, der Autolobbyverband VDA und der Vorsitzende der IG Metall und beratschlagen über Konjunkturhilfen für die Autoindustrie. Nicht dabei sind Umwelt- und Verbraucherschutzverbände, andere Verkehrssektoren und WissenschaftlerInnen. Laut Lobbycontrol eine typische Zusammensetzung von Treffen, zu denen die Bundesregierung seit gut einem Jahr unter dem Titel „Konzertierte Aktion Mobilität“ regelmäßig einlädt. Also eher eine Rettungsgruppe für das Auto. Ohnehin kennt man sich gut. Seit Februar ist Hildegard Müller Präsidentin des VDA. Sie ist seit langem mit Angela Merkel vertraut, von 2005 bis 2008 war sie Staatsministerin im Kanzleramt. Beschlossen wird die Weiterarbeit in einer AG, die für den nächsten Autogipfel am 2.Juni einen Vorschlag erarbeiten soll. Denn auch eine Kaufprämie muss in der Öffentlichkeit verkauft werden.

Wer hat, dem wird gegeben
Am 14.Mai fand die Aktionärsversammlung von BMW statt. 1,6 Mrd. Dividende wurden für das Geschäftsjahr 2018/19 ausgezahlt. An den Erben Stefan Quandt gingen 425 Millionen Euro, an seine Schwester Susanne Klatten 344 Millionen Euro. Es hagelte Kritik. Die Unternehmen sollten erst einmal ihre Notgroschen verwenden, so wie jeder Bürger auch, erklärte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer im Club Wirtschaftspresse.

Auch in der CDU gibt es Stimmen gegen die Kaufprämie. "Die Krise der Autobauer war schon vor Corona da. Ich könnte keinem Mittelständler, keinem Busunternehmer, keinem Zulieferer erklären, dass wir einfach Zuschüsse für Autos gewähren, die bei den Autobauern seit langem auf dem Hof stehen", meinte der Heilbronner Abgeordnete Alexander Throm der Badischen Zeitung und kritisierte die Dividendenausschüttung. Jeder Mittelständler halte derzeit das Geld im Unternehmen. "Das kann ich doch nicht staatlich belohnen, wenn sich ein großer Konzern anders verhält.“

Als es so aussieht, als würde die Stimmung gegen die Geschenke lauter, kündigt die EU ein 100 Mrd. Euro Paket für die Mobilität – also das Auto – an: Ladesäulen für E-Autos, Entwicklung von emissionsfreien Antrieben, ein bisschen für die Schiene. 20 Mrd. Euro sollen den Kauf von „sauberen“ Autos fördern. Auch in der EU waren die Automanager Klinken putzen und beklagten den Absatzeinbruch durch Corona. So ganz kamen sie auch hier mit ihrem Gießkannenprinzip, das den Kauf von Autos flächendeckend belohnen soll, nicht durch.

Erst Pest, dann Corona
Am 20.5. die nächste Nachricht: Das Landgericht Braunschweig stellt das Strafverfahren gegen VW-Chef Herbert Diess und den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch wegen Marktmanipulation gegen eine Zahlung von je 4,5 Millionen Euro ein. Die Kosten übernimmt natürlich VW. So sieht die angekündigte lückenlose Aufklärung des Dieselskandals durch VW aus. Während 5000 wegen Schwarzfahren im Knast sitzen, erhalten die Vorstände einen Freifahrtschein. Noch offen, aber ebenfalls am Wackeln ist das Verfahren gegen Winterkorn.

Der Bundesgerichtshof hat dagegen höchstrichterlich bestätigt, dass beim Dieselskandal Betrug vorlag. Statt einer Kaufprämie ist nun also erstmal geklärt, dass VW-Kunden im Dieselskandal grundsätzlich Schadenersatz zusteht. Lässt man wirklich zu, dass Unternehmen, die erst wissentlich die Luft verpesten, dann bei Corona Geld einstreichen können?

Am 22.Mai meldeten sich die fünf Wirtschaftsweisen in der Süddeutschen mit einem Kommentar gegen die Kaufprämie zu Wort. Sie sei ökonomisch nicht sinnvoll und würde keine durchschlagende konjunkturelle Wirkung erzielen, sinnvoller wäre ein Konjunkturprogramm: „Zentral sind Investitionen in das Gesundheitswesen, den öffentlichen Nahverkehr, die Netzinfrastruktur, die Infrastruktur für die emissionsneutrale Mobilität sowie in den Breitbandausbau und in die Digitalisierung von Behörden und Schulen.“ Es ist wohl kein Zufall, das gerade an diesem Tag aus der AG zur Vorbereitung des Autogipfels die Meldung an den Spiegel sickert: Der Durchbruch für die Kaufprämie sei da.

Sogleich springt ein weiterer verlässlicher Partner der Autoindustrie zur Seite: der DGB. Während die Wirtschaftsweisen noch den ÖPNV benennen, spricht sich DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell klar für eine Kaufprämie aus. Natürlich vergisst auch er die Worthülse „sozial-ökologische Transformation“ nicht. Die Spitzen von IG Metall und DGB scheinen weiter getrieben von der Sorge, dass sie durch eine andere Haltung Mitglieder vergraulen oder gar den Platz am Katzentisch verlieren.

Zumindest vor Redaktionsschluss hat sich die Diskussion schon längst weiter gedreht. Nicht mehr das Ob bestimmt die Diskussion, sondern die Art der Kaufprämie. So heißt es im Spiegel, die Förderung sei für Autos mit bis zu 140 Gramm Kohlendioxidausstoß pro Kilometer – damit gilt sie auch für Modelle wie den Mercedes E-Klasse oder den 5er-BMW (der derzeitige Durchschnitt für Neuwagen liegt bei 150g/km). Andere sprechen sich für 110 Gramm pro Kilometer aus. Beides liegt über dem EU-Grenzwert, der dieses Jahr bei umgerechnet rund 117 Gramm liegt.

Die Abwrackprämie ist Sinnbild für den Versuch, die alte Welt zu retten, der Kampf dagegen daher zentral für den Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten. Denn die bemessen sich nicht nur in Heller und Pfennig, sie bemessen sich auch in ppm CO2-Emissionen.

Fahrradprämien statt Autoprämien! Ein Schutzschirm für den ÖPNV statt bedingungslose Hilfe für die Lufthansa!



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