Nicht nur ein Problem der Rechten
von Tim Kühnel
Mit dem Erstarken der Rechten nimmt auch der Antifeminismus in der Gesellschaft wieder zu. Doch was genau ist Antifeminismus eigentlich und wie stellen wir uns dem entgegen?
Antifeminismus ist ein Oberbegriff für Akteure, Strömungen und Netzwerke, die aktiv und meist organisiert Feminismus, Frauenbewegungen, Geschlechtergleichheit und das Wort «Gender» bekämpfen. Frauenfeindliche Äußerungen und Verhaltensweisen sind unter AntifeministInnen oft zu finden. Sie fordern die Abschaffung der Geschlechterforschung, der Gleichstellung der Frau und des sog. «Genderwahns» sowie die Abschaffung sexueller Selbstbestimmung und sind Verfechter des binären Geschlechtersystems, das sexuelle Vielfalt ablehnt. Sie berufen sich auf biologische und religiöse Geschlechterkonzepte, die Frauen auf die Rolle der Mutter und Hausfrau beschränken. Nicht selten prangern sie den Feminismus als Ursache ihrer persönlichen Probleme sowie der sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Gesellschaft an. Sie sehen im Feminismus eine Gefahr für die patriarchale Ordnung.
In der neuen Rechten ist der Antifeminismus weit verbreitet. Da reicht schon ein Blick ins Wahlprogramm der AfD. Doch er greift auch bis in die Linke hinein. Denn auch Äußerungen wie «Auch Männer werden diskriminiert» sind in ihrem Kern antifeministisch, sie verhindern das Ansprechen von Sexismus. Sie sind ein Versuch, Feminismus zu delegitimieren. Und dem begegnet man recht häufig. In vielen Diskussionen wird die Frage aufgeworfen, ob wir denn den Feminismus brauchen, oder ob wir ihn aktuell noch brauchen. Ob denn die Emanzipation der Frau und die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht schon so weit fortgeschritten sei, dass er unnötig geworden sei. Doch solange es ungerechte Bezahlung zwischen Mann und Frau, Sexismus usw. gibt und die Frau nicht die gleichen Privilegien genießt wie der Mann, brauchen wir Feminismus.
Frauen spielen im Antifeminismus keine kleine Rolle. Sie verleihen antifeministischen oder sexistischen Argumentationen Gewicht, frei nach dem Motto: «Na also, wenn sogar eine Frau das sagt…» und dienen dazu, Rechten ein friedfertiges und weibliches Gesicht zu geben. Dabei stehen die propagierten Geschlechterrollen im Widerspruch zu den aktiven politischen Rollen von Frauen innerhalb rechter Parteien und Bewegungen.
Doch sollten wir differenzieren zwischen Antifeminismus und Kritik am Feminismus. Denn nicht alle, die Kritik am Feminismus üben, sind automatisch antifeministisch. Feminismus setzt sich für die Gleichberechtigung aller Menschen ein, egal welchem Geschlecht oder sexueller Orientierung sie angehören. Im Feminismus geht es nicht um die Benachteiligung von Männern. Damit Kritik am Feminismus nicht antifeministisch ist, muss er logischerweise aus einer feministischen Perspektive kommen. Der Antifeminismus aber benutzt «die Kritik an einer bestimmten Form des Feminismus oftmals dazu, feministische Theorien, Politiken und Bewegungen als Ganze abzulehnen, zu dämonisieren und verächtlich zu machen» (Heike Mauer).
Schauen wir uns einige Argumente der Antifeministen genauer an.
«Männer dürfen keine echten Männer mehr sein, Frauen keine echten Frauen. Gender ist Gleichmacherei.»
Gender ist ein wissenschaftlicher Begriff. Er beschreibt nicht das biologische Geschlecht einer Person, sondern das soziale, also wie sich ein Mensch fühlt. Der Begriff an sich macht gar nichts gleich. Viel mehr geht es um die Unterschiedlichkeit jedes Individuums. Jeder Mensch hat ein individuelles Empfinden und sollte die Freiheit besitzen, sich einem anderen Geschlecht zugehörig zu fühlen, als dem, dem er biologisch angehört. Des weiteren haben sich unsere Vorstellungen, was ein «richtiger» Mann und eine «richtige» Frau ist, im Laufe der Zeit immer wieder verändert, Geschlechterrollen sind wandelbar. Daher sind die Begriffe «richtig» und «falsch» dafür die falschen Kategorien.
«Abtreibung ist Mord!»
Jeder Mensch sollte das Recht haben, selbst über seinen Körper zu bestimmen. Man sollte niemanden zwingen, eine Schwangerschaft ungewollt auszutragen. Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gefährdet außerdem Schwangere, denn sie gehen ungeheure Risiken für ihr Leben und ihren Körper ein, um eine Schwangerschaft zu beenden, wenn sie dies nicht auf legalem Wege tun können. Daher sollten wir §218 und §219 abschaffen.
«Die Verlierer des Feminismus sind Männer.»
Im Feminismus geht es nicht darum, Männer schlechter zu stellen, sondern es geht um die Gleichberechtigung der Geschlechter. Männer genießen in unserer Gesellschaft mehr Privilegien als Frauen, und wenn sie von diesen Privilegien einen Teil abgeben, damit es mehr Gerechtigkeit gibt, ist das kein Beinbruch. Wenn Männer durch den Feminismus etwas verlieren, dann ist es ihr starres und überholtes Bild von Männlichkeit. Denn auch Männer leiden unter den patriarchalen Strukturen, Stichwort «toxische Männlichkeit». Wenn Männer schlechte Jobs, niedrige Renten oder wenig Aufstiegschancen haben, dann liegt das weder am Feminismus, noch am «Genderwahn» und auch nicht an unseren ausländischen Mitbürgern.
«Biologisch gibt es Mann und Frau. Sonst könnten sich ja alle ihr Geschlecht einfach aussuchen.»
Zur Bestimmung des Geschlechts zählen nicht nur die Genitalien. Mehrere körperliche Ebenen sind für die Bestimmung des Geschlechts relevant, etwa Chromosome und Hormone. Es ist also nicht richtig, dass es biologisch nur Mann und Frau gibt. Noch immer werden intersexuelle Kinder in Deutschland ohne medizinischen Grund operiert, Transpersonen müssen darum kämpfen, dass ihr Geschlecht anerkannt wird. Auch kann sich niemand seine Geschlechtsidentität aussuchen, sie entwickelt sich im Laufe des Lebens, unabhängig vom körperlichen Geschlechtsmerkmal.
«Knapp bekleidete Frauen können sich nicht beschweren, wenn ihnen hinterher gepfiffen wird. Die sollen sich lieber über das Kompliment freuen!»
Um eines klar zu stellen, Pfiffe, Sprüche und ungewolltes Anfassen sind keine Komplimente. Menschen ansprechen und anflirten geht anders. Auch viele Anmachsprüche sind abwertend, objektivierend und sexistisch. Sexismus ist nicht witzig, sondern führt zu Gewalt und Leid. Und die Schuld bei sexuellen Übergriffen liegt immer bei denen, die sie ausüben. Unabhängig davon, wie sich eine Frau kleidet, hat niemand ein Recht, sie anzufassen oder abwertend zu behandeln.
«Eine richtige Familie besteht aus Vater, Mutter, Kind. Alles andere schadet dem Kind.»
Familien sind und waren schon immer vielfältig. Ob ein Kind sicher und glücklich aufwächst, hat weder etwas mit dem Geschlecht zu tun, noch mit dem Bildungsstand, der Herkunft oder der sexuellen Orientierung der Eltern. Wichtig ist einzig und allein, dass Kinder Liebe, Geborgenheit und eine gute Versorgung erhalten. Aus wie vielen Elternteilen die Familie besteht, ist dabei irrelevant. Kinder müssen über ihre Rechte Bescheid wissen und eine Vertrauensperson haben. Und wenn Kinder gemobbt werden, weil sie aus anderen Familienverhältnissen kommen, ist das immer das Problem des Umfelds, das Menschen ausgrenzt und abwertet, die angeblich nicht «normal» sind.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.