An den Rand notiert
von Rolf Euler
Der neue Umweltbericht der zuständigen Ministerin mahnt erneut – und ziemlich sicher ohne deutliche Folgen – den schlechten Zustand der Natur an.
Wiesen und Flussräume, Wälder und Gletscher bekommen die Noten schlecht bis ungenügend. Bedroht sind Vogelarten, Rückgänge der früher in den Feldern lebenden Kiebitze und Rebhühner bis zu 90 Prozent in 25 Jahren sind zu verzeichnen. Gülleeintrag, Massentierhaltung, Ausdehnung der Feldgrößen ohne Sträucher- und Baumreihen führen auch zu massivem Insektensterben.
Mahnungen dieser Art gibt es seit Jahren mehr als genug. Aber der Abwehrlobby gegen irgendwelche Änderungen in der Agrarpolitik fallen immer neue Gründe ein, Schutzregeln auszubremsen, und die deutsche Landwirtschaftsministerin verhindert Abstimmungen in Brüssel, wenn Förderrichtlinien geändert werden sollen.
Eine kleine, aber wachsende Gegenbewegung – neben der Gruppe der Biobauern – macht von sich reden: Bürgerblühstreifen sind im Kommen. Schon immer gab es in Dörfern oder Vorstädten sogenannte «Bauerngärten», die Obst, Gemüse und Blumen das ganze Jahr hindurch zeigten. Auch davon inspiriert ging es los mit einigen konsequenten Urban-Gardening-Projekten, bekannt geworden unter anderem durch einen Film aus Kassel über die dortigen Aktiven. Im Gegensatz zum Trend zum Schottern der Vorgärten breiten sich nun Blühgärten aus, und dann auch Blühstreifen an den Feldrändern.
Einige Bauern wollten den Artenschutz mit alten Ideen betreiben. Statt Unkrautvernichtung bis zur Straße schufen sie neben den Äckern Streifen mit Wildblumensaaten. Mohn und Kornblumen leuchten inzwischen an einigen Stellen auch wieder aus dem wachsenden Getreide, aber vor allem Sonnenblumen, Bienenweide und andere Insektennahrungspflanzen wachsen neben Korn und Kartoffeln. Andere Bauern im nördlichen Recklinghausen (sicher nicht nur dort) haben nun nicht nur Randstreifen, sondern größere Feldteile bereitgestellt, auf denen von allen Bürgern, die das wollten, quadratmeterweise Blühwiesen finanziert wurden. Saaten werden inzwischen auch von der Stadt bereitgestellt, um auf einigen öffentlichen Stellen in der Stadt Blühstreifen anzulegen.
Keine Illusionen bitte! Das sind Streifen im zunehmend versiegelten Umfeld. Sie nützen sicher im kleinräumigen Bereich. Gleichzeitig wird eine große Agrarfläche im Norden des Reviers, die sogenannten Rieselfelder, für Industrie und Gewerbe eingeplant. Gleichzeitig wird eine ursprünglich mit Eichen bestandene Fläche an der Emscher in Castrop-Rauxel als Baugebiet ausgewiesen. Eine alte Eiche wurde gerettet (siehe SoZ 4/2020), Hunderte andere Bäume werden der Bebauung zum Opfer fallen. Blumen können in einem Jahr gesät werden und wachsen und nützen, aber Bäume brauchen Jahrzehnte bis ihre Schutzwirkung erreicht ist.
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