Bei Voith in Sonthofen wird gestreikt
von Thies Gleiss
Die 500 Beschäftigten des Sonthofer Werks der Voith-Turbo BHS-Getriebe GmbH streiken seit dem 23.April aus Protest gegen die geplante Schließung des Werks. Sie haben trotz der Einschränkungen durch die Corona-Krise zu 98 Prozent einem unbefristeten Streik zugestimmt.
Die Geschäftsleitung hat sich allen Vorschlägen verweigert, das Werk zu erhalten. Die IG Metall und die Belegschaftsvertreter in Sonthofen entschieden sich deshalb dafür, den Streik für einen Sozialtarifvertrag fortzusetzen, der möglichst umfangreiche Abfindungen, Weiterqualifizierung und vor allem die Beendigung von Ausbildungen sicherstellen soll. Auch tritt die Unternehmensführung bisher sehr hart auf. Am 22.Mai 2020 sollten die Verhandlungen fortgesetzt werden.
Nachstehend bringen wir Auszüge aus einem Solidaritätsflugblatt der «Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften» (VKG) und anderer Solidaritätskräfte:
«Die 100prozentige Teilnahme an der Urabstimmung und die 98prozentige Streikbefürwortung sind eine gute Basis für diesen Streik in diesen ungewöhnlichen Zeiten. Wegen Corona wird es keine großen Demos oder Kundgebungen geben. Aber da hat die Belegschaft ja auch schon einiges in den letzten Monaten auf die Beine gestellt. Und diesem Kurs ist sie seit über einem halben Jahr treu geblieben mit weiteren Aktionen…
Sicher erinnert ihr euch, dass Ende November über 1000 Kollegen und ihre Familien in Heidenheim vor der Konzernzentrale protestierten. Anfang März führte fast die komplette Belegschaft einen Warnstreik durch und ging anschließend nach Hause. Seit dem 23.April steht nun das gesamte Werk still.
Die Kolleginnen und Kollegen zeigen mit ihren kreativen Aktionen, dass sie auch unter Pandemiebedingungen nicht machtlos sind. Als sich Ende April wie ein Lauffeuer das Gerücht verbreitete, dass es von der Geschäftsführung Pläne geben soll, Material aus dem Werk zu transportieren, kamen Hunderte Kolleginnen und Kollegen mit ihren Fahrzeugen angefahren, um das Spektakel zu beobachten. Leider ergab sich daraus ein ‹Corona-Knödel› direkt vor der Werkszufahrt. Die Autos standen so chaotisch, dass am Haupttor kein Durchkommen mehr war. Es wurden 125 Autos vor der Zufahrt gezählt. Die Streikleitung vor Ort nahm den Knödel belustigt zur Kenntnis. Als die Geschäftsführung ihnen ein Schreiben überreichte, in dem sie um Auflösung des Corona-Knödels bat, kam die Streikleitung dem natürlich ‹unverzüglich› nach. Aber: die Autoschlüssel waren alle in einer Box gelandet und da erwies sich das Ausparken doch als schwierig und verzögerte sich um einige Stunden. Mittlerweile ist es leider so, dass die Lkw mit hoher Geschwindigkeit ins Werk rasen und damit unsere Streikposten gefährden. Sie gefährden Menschenleben!
Anfang Mai hat die Geschäftsleitung Hunderte Briefe mit der Aufforderung zum Streikbruch übergeben und lockte mit saftigen Prämien. Die KollegInnen waren so empört, dass sie am Haupttor des Werks eine Tonne aufstellten. Beschäftigte bildeten – mit coronabedingtem Abstand – eine lange Reihe und einer nach dem anderen entsorgte das Schreiben. Doch mittlerweile wird beobachtet, dass die Geschäftsführung Streikbrecher ins Werk schleust, zum Teil Führungskräfte, zum Teil Werksfremde. Das geht gar nicht! Streikbrecherarbeit fällt den Kollegen und damit euch allen in den Rücken.
Zeigt eure Solidarität!
Dieser mutige Streik sollte ein beispielgebendes Signal an die gesamte IG Metall sein, den breiten Angriffen auf Arbeitsplätze, Werksschließungen und Arbeitsbedingungen wirksam entgegenzutreten. Weder im Voith-Konzern noch in der Metallindustrie insgesamt wird das der letzte Angriff sein. Hunderttausende Arbeitsplätze stehen auf der Abschussliste der Unternehmen. Alle MetallerInnen müssen sich darüber klar werden, dass jedes geschlossene Werk keinesfalls andere Arbeitsplätze sichert, sondern nur zu neuen, noch frecheren Angriffen ermutigt! Statt zuzusehen, wie ein Standort nach dem anderen gestutzt wird, braucht es die Solidarität, den gemeinsamen Widerstand aller. Solcher Widerstand – organisiert von der ganzen IG Metall und darüber hinaus vom DGB und unterstützt durch die Bevölkerung, das wäre ein echter ‹Rettungsschirm›.»
Auch in der Pandemie-Krise sind kollektive Widerstandsaktionen möglich – wenn sie gewollt sind. Die Gewerkschaft hätte auch gut ein «Entlassungsverbot» fordern können, als Mindesteinstiegsbedingung für Konjunkturprogramme und Subventionen an die Betriebe. Auch die „wirkliche Kurzarbeit“, die Verkürzung des Arbeitstages und der Arbeitswoche bei vollem Lohn und Personalausgleich, wird in den mit Sicherheit bevorstehenden harten Kämpfen um die Frage, wer für die «Corona-Krise» die Zeche zahlen soll, für die Gewerkschaften eine große Rolle spielen müssen.
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