Transferleistungsbeziehende erhalten von keiner Ebene Geld
von Violetta Bock
Viele Hilfspakete werden geschnürt, Million um Million verpackt, Hilfspakete, Konjunkturpakete, Wiederankurbelungspakete, Mitte Mai sogar ein Sozialschutz-Paket II.
«Mit dem Sozialschutz-Paket II sichert die Bundesregierung Menschen in Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit besser ab: Kurzarbeiter erhalten mehr Geld und dürfen in allen Berufen hinzuverdienen. Die Bezugsdauer für Arbeitslose wird verlängert.» Die Kurzarbeiterregelung hat so viele Einschränkungen, dass sie gerade noch für die tausendfach wiederholte Überschrift «Kurzarbeiter bekommen mehr Geld» reicht. Jene, die sich zu mindestens 50 Prozent in Kurzarbeit befinden, erhalten ab dem vierten (!) Monat des Bezugs von Kurzarbeitergeld 70 Prozent ihres entgangenen Nettolohns und ab dem siebten Monat 80 Prozent. Beschäftigte mit Kindern erhalten 77 bzw. 87 Prozent. Und hey, man kann jetzt auch einen Zweitjob annehmen. Abgesehen davon findet sich auch in diesem Päckchen für Transferleistungsbeziehende, die von Hartz IV, AsylbLG oder Wohngeld abhängig sind und damit schon ohne Corona in die Armut gedrängt wurden, einfach – nichts.
Mit Kindern haben manche unter bestimmten Voraussetzungen die Chance auf einen Familienzuschlag, für die Anschaffung eines Computers gibt es inzwischen 150 Euro dazu. Das ist natürlich sehr knapp bemessen. Der Rest muss aus dem Bildungsbudget bestritten werden. In den Regelbedarfen für Kinder und Jugendliche sind 2020 für bis 6jährige 76 Cent, für 7- bis 14jährige noch 55 Cent, für 15- bis 18jährige 23 Cent und für volljährige, im Elternhaus lebende Erwachsene 88 Cent pro Monat für Bildung enthalten. Das Landessozialgericht NRW hat Ende Mai in einem Urteil einen «anzuerkennenden unabweisbaren, laufenden Mehrbedarf» für die Anschaffung eines Tablets festgestellt. Der Verein Tacheles ermutigt Haushalte, bei den zuständigen Behörden entsprechende Anträge zu stellen und notfalls gerichtlich zu erstreiten.
Die Situation ist jedoch nicht nur mit Kindern im Schulalter schwieriger geworden. Die Tafeln waren lange geschlossen, die Preise in den Supermärkten und für Masken sind gestiegen, das Schulessen ausgesetzt, soziale Institutionen mit Mittagstischen geschlossen. 17 Sozialverbände haben sich nun zusammengeschlossen zur Kampagne «100 Euro mehr sofort» und appellieren in dem Aufruf, der Anfang Mai veröffentlicht wurde, an den sozialen Zusammenhalt. Sie fordern die unbürokratische Zahlung für Mehrbedarfe von 100 Euro. Entsprechende Anträge für Beziehende von Hartz IV und Altersgrundsicherung lagen auch im Bundestag vor. Selbst aus der FDP gab es einzelne Für-Stimmen. Aber CDU/CSU und AfD stimmten geschlossen dagegen, ebenso wie 142 von 143 Abgeordnete der SPD. Nur LINKE und Grüne waren dafür. Der Druck ist nicht stark genug, die Hoffnungslosigkeit macht sprachlos, die Proteste für Brot haben noch nicht begonnen. Zu groß ist die Scham von vielen, die nichts haben, während Reiche schamlos Milliarden fordern. Enthalten sind in dem Paket nur Maßnahmen, die eine gewisse Zeit vor Hartz IV schützen, die mit Hartz IV erhalten jedoch – einfach nichts.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.