In den USA droht ihre Privatisierung
von Alexandra Bradbury*
Der U.S. Postal Service (USPS) ist in großen Schwierigkeiten. Der Verwaltungsrat der Post hat den Kongress um 75 Milliarden Dollar gebeten, um das Unternehmen über Wasser zu halten; ohne sie, so der scheidende Postminister, könnte dem USPS bis September «das Geld ausgehen».
Ein starker Rückgang der Briefe während des Lockdowns hat die Haushaltskrise verschärft, aber die zugrundeliegende Krise geht der Pandemie voraus. Die gute Nachricht ist, dass das Problem größtenteils künstlich erzeugt wurde – der Kongress hat es mit einem Federstrich geschaffen und könnte es auf die gleiche Weise beheben. Wenn er wollte.
Ein Gesetz aus dem Jahr 2006 verpflichtet die USPS, die Pensionszahlungen für Rentner 75 Jahre im voraus zu finanzieren, d.h. sie muss Geld für die Altersvorsorge zukünftiger Arbeitnehmer zurücklegen, die noch nicht einmal geboren sind. Diese lästige Anforderung lässt es so aussehen, als ob die Post rote Zahlen schreibe. Im Kern ging es damals also um folgendes: Es musste eine Ausrede her, um den Service zu reduzieren, die Unterstützung für diesen sehr populären öffentlichen Dienst zu untergraben und den Unternehmensgeiern die Türen aufzuhalten, damit sie die saftigsten Teile privatisieren können.
Seitdem haben die Postangestellten und die Kunden, die sie lieben, gegen mehrere Schließungswellen von Briefverteilzentren und Postämtern gekämpft; sie haben einige gewonnen und einige verloren. Die Post wurde langsamer. Aber bis jetzt steht der Dienst als Ganzes mit seiner Garantie eines universellen Service zu universellen Tarifen noch immer.
Jetzt haben wir Füchse, die für den Hühnerstall verantwortlich sind: einen offen feindseligen Präsidenten und Postverwaltungsrat und einen schaurigen neuen Generalpostmeister aus der privaten Logistikbranche. Sie werden gerne Kürzungen, Outsourcing und die Zerschlagung der Gewerkschaften anbieten, im Austausch für die schnelle Bereitstellung von Bargeld, das die Agentur braucht. Die Briefträger (NALC) sind besonders verwundbar – ihr Vertrag lief im letzten Herbst aus, und der nächste liegt gerade auf dem Schreibtisch eines Schiedsrichters.
Sogar das jüngste von den Demokraten im Repräsentantenhaus vorgeschlagene Konjunkturpaket enthielt 25 Milliarden Dollar für die Post – nur ein Drittel dessen, was die Agentur verlangte. «Das ist ihre Ausgangsposition, von der aus sie Kompromisse schließen und verhandeln werden», sagte Alex Fields, ein ländlicher Briefträger in Knoxville, Tennessee. «Die Demokraten würden uns nicht annähernd genug geben, selbst wenn sie alles haben könnten, was sie wollten. Wir müssen für unsere eigene Zukunft kämpfen.»
Unter den Bedingungen der Pandemie
Ironischerweise ist das Postaufkommen alles andere als niedrig, obwohl der Briefverkehr zurückgegangen ist. Die Zahl der Pakete ist stark gestiegen, da während der Pandemie die Onlinekäufe zugenommen haben.
Für die Postangestellten, die zu Überstunden gedrängt werden, ist es wie zur Weihnachtszeit – aber ohne die Lohnerhöhung, die es in der Hochsaison gibt, bei sommerlichen Temperaturen und ohne Klimaanlage in alten Zustellfahrzeugen (der Fuhrpark müsste längst ersetzt werden, aber Budgetprobleme verzögern ihn immer wieder) und mit Mitarbeitern, die wegen Corona nicht bei der Arbeit sind.
Die Postverwaltung hat die ersten Wochen der Pandemie verpatzt. Gesprächsleitfäden für die persönlichen Schutzmaßnahmen wurden an die Vorgesetzten verteilt, aber an vielen Orten nie laut vorgelesen. Die Postangestellten, ihre Gewerkschaft ist die APWU, brachten die Unternehmensleitung dazu zuzustimmen, dass auf allen Stationen Handschuhe, Desinfektionsmittel und Masken zur Verfügung gestellt würden – aber das war noch Wochen danach nicht die Realität. Das Management hat aufgepasst, wer krank geworden war und wer gefährdet sein könnte.
Die Menschen waren wütend und besorgt. In einigen Einrichtungen kam es zu informellen Krankmeldungen. Alex Fields startete eine Online-Petition für Sicherheitsvorkehrungen, eine Gefahrenzulage und bezahlte Freistellung für alle Personen mit hohem Risiko. Er hoffte, damit ein Netzwerk von KollegInnen in seiner Region aufbauen zu können, aber die Petition nahm Fahrt auf. Innerhalb eines Tages erhielt sie Zehntausende von Unterschriften aus dem ganzen Land.
Die Aktion verdichtete sich zu einer Facebook-Gruppe mit 20000 Mitgliedern und einer Reihe von Aufrufen und Webinaren, bei denen Mitglieder der vier US-amerikanischen (und einer kanadischen) Postgewerkschaften Informationen und Taktiken austauschten. Als sich die Bedingungen am Arbeitsplatz etwas stabilisierten, verlagerte die Kerngruppe ihren Schwerpunkt auf den Kampf zur Rettung des Postdienstes.
*Quelle: www.labornotes.org, 22.5.2020.
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