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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2020

Was denn sonst
von Thies Gleiss

Christian Zeller: Revolution für das Klima. Warum wir eine ökosozialistische Alternative brauchen. München: Oekom, 2020. 242 S., 22 Euro

Unser alter Mitstreiter Christian Zeller, Wirtschaftsgeograf in Salzburg, hat ein neues, sehr aktuelles Buch veröffentlicht, das so etwas wie ein linkes, sozialistisches Manifest für die Klimagerechtigkeitsbewegung sein will – und durchaus auch werden könnte.

Trotz Corona-Krise und der ihr folgenden, weltweiten Einbrüche in der kapitalistischen Wirtschaft – die pikanterweise auch zu einem deutlichen Rückgang bei den Emissionen von Treibhausgasen führen – ist die Klimagefährdung durch globale Erwärmung die wahrscheinlich größte Bedrohung für die gut 7 Milliarden Menschen auf der Welt. Ohne die manifeste Dauergefahr durch militärische Massenvernichtungswaffen zu relativieren, ohne die akute Gefährdung von einer Milliarde Menschen durch Hunger und Hungerkrankheiten zu vergessen und ohne die schreiende soziale Ungerechtigkeit weltweit zu vernachlässigen, so ist die sich beschleunigende menschengemachte Erwärmung des Weltklimas doch die aktuell gefährlichste Folge der weltumspannenden kapitalistischen Produktionsweise. Sie ist zudem nicht ohne den Zusammenhang zu den anderen eben genannten Krisen dieses Systems zu sehen, sondern vertieft die sozialen Krisen und erhöht auch die Kriegsgefahren.
Die Zeit drängt. Selbst die bescheidenen Ziele der Regierungen – die allesamt nicht hinreichen, die Erwärmung des Weltklimas auf die gewünschten 1,5 Grad zu beschränken – ist von Zeiträumen für die nötigen drastischen Eingriffe in Produktion und Konsumtion die Rede, die alles andere als das Wort «Revolution» verbieten. Es wird die jetzige lebende Generation sein, also die der Kinder und Enkel, die sich auf erhebliche Änderungen des «normalen Lebens» im Vergleich zu dem ihrer Eltern und Großeltern einstellen muss. Entweder in Form diktatorischer Maßnahmen oder in Form einer demokratischen Selbstermächtigung zur Änderung aller Grundstrukturen des wirtschaftlichen und politischen Lebens. So hart stellt sich die Alternative: Barbarei oder ein Klima und ökologische Zusammenhänge schützender Sozialismus.
Für Christian Zeller ist die kapitalistische Produktionsweise, die ihrerseits das Konsumverhalten der Menschen, die kulturelle und technologische Entwicklung und auch die Mentalität der Menschen prägt, die entscheidende Ursache für die Klimazerstörung. Die Verwandlung aller in der Natur vorgefundenen Dinge in Waren und die ökonomische Zurichtung des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, in deren Mittelpunkt die Trennung von Produktionsprozess und Verwertungsprozess steht, stehen in einem grundsätzlichen Widerspruch zur Endlichkeit der Rohstoffe und zu den naturgesetzlichen Entwicklungsprozessen.
Wer das Klima retten will, muss den Kapitalismus beseitigen. Das kann aber nur in einem Prozess geschehen, in dem sich die Menschen die ihnen vom Kapitalismus enteignete Kontrolle über die gesellschaftlichen Abläufe zurückholen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Milliarden Menschen, die der Kapitalismus zu Arbeitskräften degradiert, die selbst auf einem Markt verkauft werden müssen. Sie haben allein die gesellschaftliche Macht, die Hebel in Richtung einer alternativen Entwicklung umzulegen und die herrschenden Kräfte zu entmachten.
Dies darf nicht mit den alten produktivistischen Vorstellungen der ArbeiterInnenbewegung geschehen, sondern muss in Verbindung mit einer weltweiten ökologischen und feministischen Bewegung passieren, die die gesamte Logik der kapitalistischen Entwicklung umkehrt.
In zehn sehr konkreten Kapiteln geht Christian Zeller auf Fragen nach einer alternativen Energieversorgung und industriellen Produktion, nach modernen Dienstleistungen und einem völlig anderen Finanzierungswesen ein. Im erfreulichen Gegensatz zu vielen reformistischen Ansätzen konzentriert er sich dabei immer auf Forderungen und Angebote, die sehr einleuchtend sind, aber dennoch die Grenzen des aktuellen Kapitalismus in Frage stellen. Übergangsforderungen also, wie sie in alten Zusammenhängen genannt wurden.
Insgesamt ein sehr empfehlenswertes, materialreiches Buch, das das Kunststück fertigbringt, alte marxistische Noten zu neuen Anklängen zusammenzuführen.

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