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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 08/2020

Klimabewegung im Lockdown
von Martin Schwarz

Die vom Tagebau bedrohten Garzweiler-Dörfer – aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden. Das Klimacamp im Rheinland – abgesagt. Die Massenblockade von Ende Gelände – auf irgendwann im September verschoben. Oder doch nicht?

Keyenberg, im Frühjahr 2020.
Zwischen den bedrohlich nahen Braunkohlebaggern und dem Dorfeingang stehen einige Dutzend DemonstrantInnen in gelben T-Shirts. Von der angrenzenden Weide, die in wenigen Jahren, wie das ganze Dorf, dem Tagebau Garzweiler weichen soll, sehen einige Kühe wiederkäuend zu. Die Polizei, noch aufgeschreckt von einer Hausbesetzung am Vorabend, ist mit einer ganzen Hundertschaft im Gebiet unterwegs.
Nirgendwo lassen sich die Auswirkungen der Corona-Krise auf die rheinische Klimabewegung besser erfassen als hier: 2019 demonstrierten hier monatlich hunderte, oft tausende Menschen für den Erhalt der Dörfer. Heute stehen 50 Menschen mit 3 Meter Abstand auf einem Fahrradweg, während Autos an ihnen vorbeirauschen.
Nichtsdestotrotz versucht die rheinische Klimabewegung den Funken, den in den letzten Jahren zehntausende DemonstrantInnen am und im Hambacher Wald entfacht haben, am Leben zu erhalten. In allen Ecken des Rheinlands werden nach Monaten des Lockdown Aktivitäten gestartet. Am Pfingstmontag war Keyenberg einmal mehr voller Leben: Mit Sicherheitsabstand lassen mehr als 50 MusikerInnen Beethovens Symphonien im Vinzen-Hof erschallen – eine der coronakompatiblen Aktionen, die die Bürgerinitiative «Alle Dörfer Bleiben» nun im Monatstakt ausrichtet.
Eva Töller und Michael Zobel, die seit Jahren mit ihren berühmt gewordenen Spaziergängen Tausende Menschen durch den Hambacher Wald und durch bedrohte Dörfer geführt haben, setzen ihre Veranstaltungen nun fort. In kleinen Gruppen streiften Mitte Juni wieder BesucherInnen durch den Wald. Für den 7./8.August ruft die Gruppe «Zucker im Tank» zu einem Aktionstag auf. Da durch die Pandemie Massenblockaden nicht möglich sind, soll durch Aktionen von kleineren Gruppen klimaschädliche Industrie gestoppt und das Thema Klimagerechtigkeit in die Öffentlichkeit gebracht werden.
Denn obwohl sie neben COVID-19 in den Hintergrund gerückt ist, bleibt die Klimakrise eine der größten Bedrohungen unserer Zeit. Die vergangenen fünf Jahre waren die heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die allermeisten WissenschaftlerInnen sind sich einig: Es bleibt kaum noch Zeit, bis die globale Erwärmung unkontrollierbar wird.
Als in Keyenberg die DorfbewohnerInnen ihre Transparente einpacken, bleiben viele gelbe, aus Holz gezimmerte X an den Bäumen zurück – und ein Versprechen: Wenn die Bagger die Landstraße für Keyenberg überschreiten, wird es große Demonstrationen und Blockaden geben. Die rheinische Klimabewegung, das wurde an diesem Frühlingstag in Keyenberg deutlich, wird den Kampf für eine klimagerechte Zukunft weiter führen – mit dem gesellschaftlichen Rückhalt, den sie sich in den letzten Jahren erarbeitet hat.

Der Autor lebte zwei Jahre im Hambacher Wald und ist ­seitdem im Widerstand gegen die Kohle im Rheinland aktiv (alle-doerfer-bleiben.de; www.zuckerimtank.net).

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