Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 08/2020

…und das hat sie sich gedacht
dokumentiert

Für diejenigen, die beide beteiligten Zeitungen kennen, dürfte die Antwort auf die Frage, warum wir mit direkter Zusammenarbeit in Form einer Beilage experimentieren, eigentlich unmittelbar augenfällig sein.

Man lege z.?B. die Mai-Ausgabe des express neben das Juni-Heft der SoZ, und siehe da: Fleisch­industrie und Schlachthöfe bestimmen das Bild, «Corona-Partys des Kapitals» und «Pestfleisch» werden aufs Korn genommen. Ohne jede Absprache, versteht sich. Aber dass beide Redaktionen zeitgleich einen Ausschnitt aus der Welt der kapitalistischen Vernutzung von Arbeitskraft und Natur auf den Titel heben, der eher zu den offenen Wunden einer gedemütigten ArbeiterInnenbewegung gehört, denn zu den sprudelnden Quellen zweckoptimistischer Proletariatsromantik, könnte schon ein Indiz sein, dass sie manches Interesse und manche Ansicht teilen.
Zum Beispiel die Ansicht, wer sinnvoll von Emanzipation sprechen will, kommt an Fragen von Arbeit und Produktion nicht vorbei; oder dass Fragen schlecht bearbeitet sind, wo Gewissheiten verkündet werden; dass niemandem damit gedient ist, den Blick nur dorthin zu wenden, wo Vorstellungen von ArbeiterInnenmacht und Geschichte machendem Klassenkampf unmittelbar ihre Bestätigung finden.
ArbeiterInnenbewegung, Proletariat, Klassenkampf: Was wir wollen, was wir offenbar gemeinsam haben, und was die Sache zugleich nicht eben leichter macht, ist auch, solche Begriffe und Deutungen trotz ihres manchmal stählernen Sounds nicht preiszugeben.
Auch der (unter)titelgebende Sozialismus gehört dazu. Weder der Gang der Geschichte noch verschiedene Wellen akademischer Diskursmoden legen das nahe, aber mal ehrlich: Was sollen wir denn machen? Die eine Gewissheit gönnen wir uns doch: Dass das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzen wird, solange nicht Mensch, sondern Profit regiert, lässt sich nicht vergessen, nur weil es um die praktischen Folgerungen daraus schlecht bestellt ist. Und eine bessere Sprache dafür ward uns auch noch nicht geschenkt.
Zurück zu Profanem und doch zum gleichen Thema: Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Zeitungen besteht darin, dass sie auch mit Blick auf die Zahlen schon bessere Zeiten gesehen haben – eine höhere Auflage, breitere LeserInnenschaft und größere Einnahmen. Weder in Köln noch in Frankfurt herrscht das Gefühl vor, nicht mehr gebraucht zu werden, aber rein betriebswirtschaftlich hat’s halt schon mal besser ausgesehen.
Beide Redaktionen wissen, dass sie das, was sie da tun, nicht allein um der Selbstbeschäftigung willen machen. Und wir wissen von einigen LeserInnen, die sich beiden Zeitungen verbunden fühlen. Nun denn, konkurrieren oder Kooperationsmöglichkeiten ausloten? Eben.
Stefan Schoppengerd
Der Autor arbeitet im Frankfurter Büro des express und macht mit im Kampagnenbündnis «Krankenhaus statt Fabrik»

«Gebraucht zu werden?…»
Aus der Geschichte der SoZ gibt es Anlass, Zusammenarbeit und gemeinsame Projekte belebend und erneuernd zu finden. Und es gibt genug Anlass, ohne die vielen anderen linken und sozialistischen Projekte und Zeitungen zu vergessen, sich erneut «gebraucht» zu wissen.
– Wenn es heißt, dass nur noch rund ein Fenster von zehn Jahren offen ist, um wirklich umzusteuern und die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen;
– wenn es heißt, dass es bei einem «Weiter so» nur noch 60 Ernten der bekannten Art der Ernährung und Erdausbeutung geben kann;
– wenn es heißt, dass am 24.?Januar 2020 von Atomwissenschaftlern die «Atomkriegsuhr» auf 100 Sekunden vor Mitternacht vorgestellt wurde,
dann heißt das für uns, alle Kräfte vereinigen, um diesem Treiben entgegenzusteuern – mit allen aus den Demokratie-, Öko-, Sozial-, Befreiungs- und Gleichberechtigungsbewegungen, die dieselbe Stoßrichtung haben.
Wir älteren Zeitungsmachenden werden nur noch wenige aktive Jahre haben, wir wollen aber, dass andere jetzt schon auf guter Grundlage mit- und weitermachen können. Gemäß dem Motto: «Die Wahrheit mit Schuhen versehen, damit sie weit laufen möge!»
Rolf Euler
Viele Jahre über und viele Schichten unter Tage, lebt im nördlichen Ruhrgebiet.

Eine gemeinsame ­Sommerreise
Von wegen Linke spalten sich nur. express und SoZ sind beide für sich schon Ergebnis von Vereinigungsprozessen. Mit dieser Sommerbeilage üben wir uns nun in enger Zusammenarbeit und wagen die gemeinsame Reise. Nichts liegt in diesen Zeiten von Katastrophen und Krisen näher, als enger zusammenzurücken und Bündnispartner zu suchen, zumal uns vieles eint.
Und was brauchen wir heute nötiger, als dass jene zu Wort kommen, die in den Kämpfen für eine andere Gesellschaft ganz vorne stehen? Menschen, die aus ihren alltäglichen Kämpfen in Betrieb oder Klimabewegung berichten und dabei auch über die Erfolgsmeldungen aus den gewerkschaftlichen Pressemitteilungen hinausgehen? – z.B. das Interview mit dem ehemaligen Betriebsrat der Delivery GmbH vor ihrer Verschmelzung mit der Post (in der SoZ und die kritische Beleuchtung des Ver.di-Fachbereichs Handel (im express).
Ebenso dringend brauchen wir die schonungslose Auseinandersetzung mit den Strategien unserer eigenen Bewegung, um weiter zu kommen – z.B. die kritische Auseinandersetzung mit dem Hype um McAlevey (im express) oder die Aufarbeitung der Geschichte der linken DDR-Opposition (in der SoZ).
Nicht durch das Verkünden von Wahrheiten, sondern durch fragendes Vorangehen und einen offenen Zugang für AutorInnen kommen wir voran. Wie oft haben wir Texte zur Situation in anderen Ländern in beiden Redaktionen parallel übersetzt. Zufall? Nein. Wenn es darauf ankommt, wissen wir auf welcher Seite wir stehen und sind zur Intervention bereit – etwa gegen die Abmahnung von Damiano.
Aus all diesen Gründen empfehlen wir seit jeher die Lektüre der je anderen Monatszeitung und natürlich das Abo. Als Revolutionäre wissen wir aber auch, dass es manchmal größere Veränderungen braucht. Diese Ausgabe ist ein Versuch, neue Möglichkeiten zu testen. Und natürlich freuen wir uns über eure Blattkritik. Am Ende entscheidet ihr, wie es mit dieser Affäre weiter geht. Ob sie eine regelmäßige, aber eher heimliche bleibt?… Oder nicht. Violetta Bock
Die Autorin macht die B&G-Seiten für die SoZ. Wenn sie nicht schreibt, macht sie Stadtteilarbeit und engagiert sich für einen besseren ÖPNV.

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