Bukowski in Nordmazedonien
von Kai Böhne
Was treibt eigentlich die Post Nordmazedoniens? Die Post Nordmazedoniens treibt, was sie soll: Sie transportiert mal mehr und mal weniger zuverlässig Sendungen diverser Art, lässt Leute an Schaltern anstehen, bis sie blau werden, und macht nebenher noch ein wenig Geschichtspolitik.
Aber wie kommt US-Undergroundgott Charles Bukowski auf eine ihrer Briefmarken? Das Fachblatt Briefmarkenspiegel (hat nichts zu tun mit dem Hamburger Käsblatt), wahrscheinlich Pflichtlektüre eines jeden Philatelisten, verzeichnet es in seiner Ausgabe 1/2020 penibel. Neben erwartbaren Sondermarken wie «Nordmazedonien in der NATO» und «Nordmazedonien in der EU» findet sich «100 Jahre Charles Bukowski», Wert: 72 Denar (1,17 Euro). Ausgabe am 6.Juli. Bukowski wäre zwar erst am 16.August 100 geworden, hätte er die Konstitution und den Lebenswandel eines Ernst Jünger gehabt, aber egal.
Nordmazedonien ist das erste Land, das ihm eine Briefmarke widmet. Wieso? Kein Mensch weiß es. Vielleicht hat jemand bei der Makedonska Post auch nur einen guten Literaturgeschmack. Oder wollte einmal in irgendetwas der Erste sein.
Bukowski schuftete Anfang der 50er rund drei Jahre als Briefzusteller für den United States Postal Service. Ab 1958 kehrte er noch mal zurück und arbeitet weitere elf Jahre im Innendienst, sortierte Briefe, vielleicht sogar welche aus Mazedonien. Dann war Schluss. Seine Erfahrungen verarbeitete er in seinem Debütroman Post Office (Der Mann mit der Ledertasche), der 1971 erschien. Darin muss sich Bukowskis Alter ego Henry Chinaski gegen schikanöse Vorgesetzte behaupten. Suff, Sex und Pferdewetten gewähren dem Außenseiter kurze Fluchten aus dem tristen Arbeitsalltag. Der Roman wurde zum Klassiker der Untergrundliteratur.
Er gefiel dem unbekannten Gestalter in Skopje offenbar sehr. Die neue Marke zeigt den Poeten in gelassener Pose mit Zigarette in der rechten und seinem Post Office-Roman in der linken Hand. Die Marken erscheinen in 9er-Kleinbögen, auf deren linken und rechten Bogenrändern ebenfalls der Schriftsteller zu sehen ist. Bei Onlinehändlern werden bereits die ersten Marken und Ersttagsbriefe angeboten.
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