Maskenpflicht, Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen
von Larissa Peiffer-Rüssmann
In den Schulen herrscht bundesweit der Ausnahmezustand und ein Flickenteppich an Maßnahmen: keine Maskenpflicht in Sachsen, in Mecklenburg-Vorpommern erst ohne, dann doch mit Masken, in Hessen zuerst Maskenpflicht nur außerhalb des Unterrichts, dann auch während des Unterrichts, in NRW in allen Klassen außer Grundschulen, im Saarland Maskenpflicht während des Unterrichts, in Rheinland-Pfalz keine Masken im Klassenraum, aber in den Fluren und während der Pausen.
Etwas mehr sinnvolle Einheitlichkeit wäre da angebracht – schon der Glaubwürdigkeit wegen. Das wäre eine Aufgabe der Kultusminsterkonferenz gewesen, aber vor Beginn des neuen Schuljahres. Stattdessen gab es einen bundesweiten Schulgipfel im Kanzleramt, als in vielen Ländern der Unterricht nach den Sommerferien bereits begonnen hatte, und nicht alle Bundesländer waren vertreten. Geschenkt!
Die Länder als Dienstherren und die Kommunen als Schulkostenträger hätten gemeinsam und rechtzeitig entsprechende Hygienepläne und weitere Vorsorgemaßnahmen erstellen müssen. Dazu gehören auch Schulfenster, die sich öffnen lassen, damit die Räume gelüftet werden können. Stattdessen haben die Ministerien mit verspäteten Erlassen reagiert und die Schulen vor fast unlösbare Probleme gestellt. Diese Desorganisation der Verwaltung ist zwar nicht neu, aber in diesen Zeiten besonders belastend.
Der einzelnen Schule gerecht werden kann nur ein Krisenteam an jeder einzelnen Schule, das die Auflagen von Hygiene und Arbeitsschutz umsetzt. In ein solches Mitbestimmungsteam gehören neben der Schulleitung auch LehrerInnen, der Hausmeister und ein(e) Vertreterin für die Reinigungskräfte, weil alle Maßnahmen gemeinsam umgesetzt werden müssen. In ein solches Team gehören aber auch Schülervertreter, denn sie sind schließlich Betroffene und manchmal auch die Leidtragenden von unsinnigen Maßnahmen.
Auch in der Krise gilt die Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten. Und damit sind wir beim Thema Risikogruppen. Rund 1600 LehrerInnen haben in Schleswig-Holstein Atteste vorgelegt, weil sie zu Corona-Risikogruppen gehören und deshalb nicht im Präsenzunterricht eingesetzt werden können. Der betriebsärztliche Dienst hat 780 Fälle geprüft und nur 32 Unterrichtsbefreiungen ausgesprochen. Die Bildungsministerin Prien (CDU) hat sich hinter diese Entscheidung gestellt und Einsprüche abgewiesen. Die Grünen regieren mit, aber von ihnen haben wir nichts gehört.
Mindestens hätte ich einen Vorstoß in Richtung Neueinstellungen erwartet. Die mangelhafte Versorgung mit Lehrkräften führt zu ähnlichen Entscheidungen auch in anderen Bundesländern. Wenn dann angesichts der Problemlage im Saarland dringend benötigte zusätzliche Lehrkräfte als coronabedingte Reserve für ein Jahr befristet eingestellt werden, ist das ein Skandal.
Der Mangel an Lehrkräften ist das Ergebnis einer Bildungspolitik, die sich in Krisenzeiten wie dieser bitter rächt. In NRW sind die Klassen so groß wie in keinem anderen Bundesland, gleichzeitig weist NRW laut «Bildungsmonitor 2020» der Bildung bei seinen öffentlichen Ausgaben die zweitniedrigste Priorität zu. Die Bildungsausgaben je Grundschüler sind die geringsten in Deutschland. Dafür nimmt NRW bei der E-Auto-Kaufprämie einen Spitzenplatz ein – noch vor Bayern!
Auch in NRW gab und gibt es keine Impulse für Verbesserungen während der Coronakrise, dabei wären kleine Klassen gerade jetzt ideal. Auch Hilfen für die Kinder, die durch das Homeschooling von der Bildung praktisch ausgeschlossen waren, sind nicht eingeplant.
Zuletzt muss der Blick nochmal auf die Belastung der Eltern während des Homeschooling gerichtet werden. In dieser Krise sind die alten Rollenmuster wieder zum Tragen gekommen, denn die Frauen waren die Hauptleidtragenden. Umso wichtiger ist es, angesichts steigender Fallzahlen Vorsorge zu treffen. Dazu gehört die Anmietung weiterer Schulräume für einen Wechselschichtunterricht, um einen erneuten Distanzunterricht mit Homeschooling zu vermeiden. Das wäre sicher besser, als große Firmen mit Milliardengewinnen zu unterstützen. Dabei geht es nicht nur um die Beseitigung der Mängel im Bildungswesen, es muss sich auch Widerstand gegen weitere Pläne zum Abbau von Sozialstandards bilden.
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