Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2020

Gemischte Ergebnisse für DIE LINKE
Gespräch mit Hanno Raußendorf

Die SPD schmiert bei den Kommunalwahlen in NRW ab, aber DIE LINKE tritt nicht an ihre Stelle. Wie erklärst du dir das?

DIE LINKE ist nicht die «bessere Sozialdemokratie», sodass alle enttäuschten SozialdemokratInnen einfach mal zu uns kommen könnten. So richtig es ist, dass die SPD kaum mehr eine «sozialdemokratische» Partei ist – die Ursachen für ihren Niedergang liegen tiefer.
Das Modell «Sozialdemokratie» funktioniert nicht mehr. Das Kapital hat keinen Systemvergleich mehr zu fürchten und steht in einer immer brutaleren Konkurrenz auf globalisierten Märkten. Es ist daher nicht mehr ohne weiteres bereit, Produktivitätszuwächse zu teilen. Das bringt eine deutliche Verschärfung der Konflikte zwischen Kapital und Arbeit mit sich. Sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler, die diese Konsequenz noch scheuen, finden deshalb nicht notwendig ihren Weg zu uns, mögen sie von der SPD auch gründlich desillusioniert sein. Die Linke muss sich unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen als die Kraft etablieren, die die Interessen der Beschäftigten und Ausgegrenzten auf politischer Ebene vertritt. Daran müssen wir arbeiten.

Du bist kommunalpolitisch aktiv – ob das Sinn macht ist unter Linken umstritten. Was sind deine Beweggründe und womit haben die KritikerInnen vielleicht recht?

Auch in der Kommunalpolitik besteht immer die Gefahr, sich in Gremienarbeit zu verlieren und zu glauben, dass ein gelegentlicher kluger Antrag schon eine reale Veränderung bedeutet. Aber mir scheint, dass eine Linke, die von der Seitenlinie die Welt erklärt, im Moment auch nicht so richtig gut funktioniert. Linke dürfen sich nicht zu schade sein, die Interessen der Frau zu vertreten, die sich über die parkenden Autos in ihrer Straße ärgert, an denen sie mit ihrem Rollstuhl nicht vorbei kommt – oder den Mann, der dagegen Sturm läuft, dass bei ihm um die Ecke ein Baum gefällt werden soll, weil eine Textilkette meint, dass ihre Auslagen dann besser zu sehen sind.

DIE LINKE hat mit dieser Kommunalwahl, in Zeiten akuter Krisen, in NRW nichts gewonnen, sich bestenfalls gehalten. Woran scheitert es unterm Strich? Nur an der Bundespolitik?

Im Landesdurchschnitt hat DIE LINKE 0,8 Prozentpunkte eingebüßt und liegt nur noch bei 3,8 Prozent. Das ist ernüchternd und sicher auch dem Bundestrend geschuldet. Leider müssen wir uns auch eingestehen, dass selbst nach über einem Jahrzehnt des Parteiaufbaus etliche Kreisverbände immer noch alles andere als optimal aufgestellt sind. Dort, wo alles funktioniert, haben wir unser Ergebnis oft verteidigen können.
Zu denken geben sollte uns, dass wir in vielen Städten im Ruhrgebiet stark verloren haben, während wir uns in Städten mit einem stark studentisch und akademisch geprägten Milieu eher gut halten. Da macht sich eine ungünstige Veränderung in der Zusammensetzung unserer Wählerschaft bemerkbar.

Ihr habt euch in Bonn bei den Wahlen gut gehalten, stabile Stimmergebnisse auf einem für NRW hohen Niveau. Das ist nicht gerade selbstverständlich. Worin liegt das Geheimnis des Erfolgs?

Wir haben in Bonn unser Ergebnis nach Prozentpunkten halten können. Ein Grund ist sicher, dass wir uns an parteiinternen Streitereien der vergangenen fünf Jahre nicht beteiligt haben. Wir sind mit unterschiedlichen Meinungen innerhalb des Kreisverbands respektvoll und solidarisch umgegangen. Dass DIE LINKE unterschiedliche Positionen in der Frage von Flucht und Zuwanderung als Glaubenskrieg und als Machtkampf an der Spitze inszeniert hat, hat der Partei insgesamt nachhaltig geschadet.

In einigen Großstädten von NRW haben die Grünen einen richtigen Höhenflug hingelegt, welchen Einfluss hatte das auf das Wahlergebnis der LINKEN?

Ihre guten Ergebnisse haben es uns diesmal nicht leicht gemacht. In Bonn hat eine Jamaika-Koalition in den vergangenen sechs Jahren klimapolitisch nichts entscheidendes vorangebracht. Dafür haben die Grünen dann 28 Prozent der Stimmen bekommen. Viele Wählerinnen und Wähler lassen sich halt mehr vom vagen Image als von konkreter Politik leiten.
Die großen Themen dieser Kommunalwahl waren Umwelt und Klima. Auch für vier von zehn WählerInnen der LINKEN war das ausschlaggebend. Entschiedener Klimaschutz, der den notwendigen radikalen Umbau mit sozialen Fragestellungen zusammendenkt, wird für DIE LINKE immer entscheidender. Man kann daraus aber auch ablesen, dass wir, zumindest von einem Teil der Wahlbevölkerung, bereits als konsequente Klima- und Umweltschutzpartei wahrgenommen werden. Das finde ich ermutigend.

Print Friendly, PDF & Email
Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.