Dieter Braeg
Schon lange rätselt die Wissenschaft, warum die Banane krumm ist. Des Rätsels Lösung ist einfach. Die Bananenkrümmung hat mit dem derzeitigen Zustand der österreichischen Politik zu tun, die für die Krümmung der Banane und den Namen „Bananenrepublik“ verantwortlich ist. Kanzler Kurz von der konservativen ÖVP, die ihre Farbe von schwarz auf türkis wechselte, mag nicht nur keine Flüchtlinge aufnehmen (zähneknirschend unterstützt vom grünen Koalitionspartner), er verkündet als Amateurvirologie auch: „Das Virus kommt von dem Auto“!
Ischgl war der Ground Zero der Corona-Pandemie, da hat sich die Politik abgeputzt, ob in Tirol oder anderswo, Menschen starben, weil der Profit wichtiger war. Diese ekelhafte Regierungsmischung aus Türkis-Grün lässt Asylsuchende und ihre Kinder im Meer und in griechischen Lagern verrecken, der türkise Finanzminister Gernot Blümel in Wien – er ist dort Spitzenkandidat der Kurztürkispartei – hat dazu nichts zu sagen und fordert gleichzeitig, weil er die Rolle der durch Ibiza-Strache geschwächten FPÖ übernehmen will: „Ohne Deutsch keine Gemeindebauwohnung!“ Dazu verkündet diese „neue“ ÖVP: "Es gibt kaum Wichtigeres für Österreich, als Wien nach vorne zu bringen!“ Auf einem zweiten Plakat fordert Gernot Blümel: “Integration für Wien“.
In was sich diese Stadt, in der zurzeit 1.911.191 Einwohnerinnen und Einwohner leben, integrieren soll, bleibt unbeantwortet. Der Schriftsteller Robert Menasse postete zu diesem Slogan unter anderem: „Sie, als Vertreter einer Partei, die, zum Glück erfolglos, die Entwicklung Wiens zu einer lebenswerten und bunten Metropole bekämpft hat, wollen Wien nach ‚vorne‘ bringen, das Sie selbst nicht genauer definieren können, das aber nach allen Erfahrungen mit Ihrer Partei näher dem Mittelalter als bei den Bedürfnissen der Zeitgenossen ist. Als Finanzminister wurden Sie auffällig als einer, der sechs Nullen vergisst. Dann waren Sie nicht in imstande, ein EU-Formular korrekt auszufüllen. Ich empfehle Ihnen zu schweigen.“ Diesen kritischen Beitrag hat der neue Volksparteiler Blümel nicht vertragen. Er wurde gelöscht!
Dazu kommt noch ein Untersuchungsausschuss, der die Käuflichkeit der ehemals türkis/blauen (ÖVP/FPÖ) Regierung untersucht – den Vorsitz hat Werner Sobotka, der Präsident des Nationalrates und Mitglied der ÖVP, die einige Zuwendungen erhalten hat. Dazu kommt in Wien noch ein SPÖ-Bürgermeister, der sich noch immer schützend vor Autofahrerinnen und Autofahrer stellt, weil die GRÜNEN, die in Wien mitregieren, den 1.Bezirk autofrei machen wollen.
Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020 waren 1.133.011 österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger wahlberechtigt in Wien gemeldet. Bei den Wahlen zu den Bezirksvertretungen waren 1.362.795 Wienerinnen und Wiener wahlberechtigt. In dieser Zahl sind jene 229.784 wahlberechtigten, nichtösterreichischen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger enthalten, die an den Bezirksvertretungswahlen teilnehmen dürfen. Jeder Versuch, die Wahlberechtigung auszudehnen, ist bis jetzt gescheitert.
Bei der Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertreterwahlen traten folgende Parteien an:
SPÖ, FPÖ, GRÜNE, ÖVP, NEOS, HC (Team HC Strache) – sie alle waren bisher im Wiener Gemeinderat vertreten. Die kleineren Parteien mussten alle in den 23 Wiener Bezirken für insgesamt 3000 Unterstützungsunterschriften werben, die persönlich von den Unterstützerinnen und Unterstützern in den zuständigen Bezirksämtern abzugeben waren.
Ohne Chancen, in den Gemeinderat zu kommen, wegen der 5 Prozent-Klausel, sondern höchstens mit der Aussicht auf Bezirksvertretermandate kandidierten: LINKS (KPÖ mit weiteren linken Politikzusammenschlüssen), BIER-Die Bierpartei, SÖZ-Soziales Österreich der Zukunft. Diese kleinen Parteien hatte keine Chance, in der Berichterstattung der etablierten Medien erwähnt zu werden oder gar an Podiumsdiskussionen teilzunehmen. Der "öffentlich RECHT(s)liche" Rundfunk ORF hat bei allen Diskussionsrunden HC Strache zugelassen, obwohl er im Gemeinderat kein Mandat hatte.
Bei der Wahl zum Gemeinderat und zu den Bezirksvertretungen am 11. Oktober 2020 betrug die Wahlbeteiligung 65,4 Prozent (gegenüber 74,8 Prozent im Jahre 2015) – ein Rückgang von fast 10 Prozent, der nicht nur der Pandemie geschuldet waren, denn ca. 350.000 Wahlberechtigte wählten per Wahlkarte/Briefwahl. Deswegen dauerte die Stimmenauszählung bis Mittwoch, den 14.10.2020.
Das Ergebnis für den Wiener Gemeinderat/Landtag lautet wie folgt:
SPÖ: 301.967, 41,62% (2015: 329.733, 39,59%)
FPÖ: 51.603, 7,11% (2015: 256.450, 30,79%)
GRÜNE: 107.397, 14,80% (2015: 98.626, 11,84%)
ÖVP: 148.238, 20,43% (2015: 76.959, 9,24%)
NEOS: 54.173, 7,47% (2015: 51.305, 6,16%)
Die Liste HC (da kandidierte der ehemalige Vizekanzler der FPÖ, Heinz Christian Strache) kam auf 21.708 Stimmen und zog damit nur in die Bezirksvertretungen (Wien hat 23 Bezirke) ein.
Die Wahlverlierer fanden sich diesmal im – 2015 noch so erfolgreichen nationalistisch-ausländerfeindlichen – "dritten Lager". Die FPÖ verlor dank HC Straches Ibiza- und Spesenaffäre 26 ihrer bisher 34 Gemeinderatsmandate. Zusammen mit den Stimmen der HC Strache-Liste erreichten sie nur etwas mehr als 10 Prozent.
Die Mandatsverteilung im Wiener Gemeinderat 2020 sieht so aus: SPÖ 46 (+2); FPÖ 8 (-26); GRÜNE 16 (+6); ÖVP 22 (+15); NEOS 8 (+3). Hier nun einen sozialdemokratischen Sieg zu feiern müsste, wenn man feststellt, dass diese Partei gegenüber den Wahlen im Jahre 2015 27.766 Stimmen verloren hat, eigentlich schwerfallen. Die Wahlbeteiligung lag gegenüber 2015 fast 10% niedriger. Über 100.000 ehemalige FPÖ-Wählerinnen und -Wähler nahmen an der Gemeinderatswahl nicht teil. Vom Rest profitierte vor allem die nach rechts gerückte „neue“ ÖVP. Kein Anlass also darüber zu jubeln, das nationalistisch-reaktionäre Lager in Wien hätte sich drastisch verkleinert.
Bei den kleineren Parteien hätte es zusammen knapp für den Einzug in den Wiener Gemeinderat gereicht: Links, SÖZ und die Bierpartei kamen gemeinsam auf 5,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Im Wahlkampf gab es beachtenswerte Aktionen. Die Liste Links, ein Zusammenschluss linker Gruppen und der Wiener KPÖ, schaffte immerhin mit 19.516 Stimmen und 2,54%. Ein beachtenswertes Ergebnis. LINKS, die ein "gutes Leben für alle" will, schrieb mit Kreide vor leerstehenden Gebäuden und Hotels, wie viele Schlafplätze für Flüchtlinge aus dem griechischen Lager Moria dort vorhanden wären – oder notierte die Anzahl der Kündigungen, die Unternehmen trotz Corona-Hilfen ausgesprochen hatten. Ihre Wahlplakate sorgten für Gesprächsstoff: "Scheiß dich nicht an, wähl Links" oder "Häupl (ehemaliger SPÖ-Bürgermeister) würde Links wählen".
23 Mandate in den Bezirksparlamenten sind ein großer, großer Schritt vorwärts. Ab sofort werden ihre Inhaber*innen in den Bezirksparlamenten Druck von links auf welche Stadtregierung auch immer ausüben. Seit der Wahl 1954 ist dies das beste Ergebnis. In 6 Bezirken wird LINKS in Fraktionsstärke politische Arbeit leisten können. Im 15. Bezirk erreichte die Liste sogar 3 Mandate!
Es gibt die Hoffnung, nachdem die Liste SÖZ (Soziales Österreich der Zukunft – ein linker, vor allem migrantischer Zusammenschluss) 1,2% der Stimmen erreichte, bei konsequenter Arbeit eine Chance zu haben, auch im nächsten Wiener Gemeinderat und nicht nur in den Bezirksvertretungen Mandate zu erringen. SÖZ wird in sechs Bezirken sieben Bezirksrätinnen/Bezirksräte stellen – im Stadtteil Favoriten hat man mit zwei Mandaten Fraktionsstärke.
In Wien wird politische Arbeit großzügig mit Steuergeldern finanziert. So kann LINKS als Partei auf Grund der erreichten Stimmen mit einem sechsstelligen Betrag rechnen. Dazu kommen noch die Bezüge für die Mitgliedschaft in den Bezirksvertretungen. Eine Bezirksvorsteherin, ein Bezirksvorsteher (vergleichbar einem Bürgermeister/ einer Bürgermeisterin) bekommt etwa 10.000 Euro, die Stellvertreter*innen jeweils um die 4200 Euro, Fraktionsvorsitzende (mindestens 2 Mandate) 1280 Euro und Bezirksvertreter*innen 420 Euro. Alle Bezüge werden 14 Mal im Jahr ausbezahlt!!
Der „Wahlsieger“, Bürgermeister Michael Ludwig, hat ausgeschlossen, mit der FPÖ oder der Liste HC Strache zu koalieren. Er hat drei Möglichkeiten: Fortsetzung der Rot-Grünen Koalition, eine Koalition mit der „neuen“, Wien nach „vorne“ bringenden ÖVP, oder eine Zusammenarbeit mit den liberalen NEOS. Beim weiteren Wachstum der Stadt Wien wird es wohl bald das Wahlbeteiligungsproblem geben. Wenn weniger als 50 Prozent der in Wien Lebenden berechtigt sind, ihre politischen Interessensvertreter*innen zu wählen, ist das kaum mit der Bezeichnung "demokratisch" zu versehen. So bleibt nur an die vor kurzem in Kalifornien verstorbene Ruth Klüger zu erinnern:
„Wien ist die Stadt, aus der mir die Flucht nicht gelang. Wiens Wunde, die ich bin, und meine Wunde, die Wien ist, sind unheilbar.“
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