München: Oekom, 2020. 280 S., 26 Euro
von Hermann Dierkes
Der brasilianische Agrarwissenschaftler Antônio Inácio Andrioli ist in Deutschland vor allem in der Umwelt- und alternativen Agrarbewegung bekannt. Seine in Osnabrück entstandene Dissertation über genmanipuliertes Soja wurde bereits 2007 als Buch veröffentlicht.*
Danach folgten Beiträge in den Sammelbänden Gensoja – so nein und Die Saat des Bösen sowie zahlreiche weitere Artikel und Interviews in Europa und Brasilien, u.a. auch in der SoZ. Auf vielen Veranstaltungen in Deutschland ist Andrioli seit Jahren kompetenter Referent.
Mit seinem neuen Buch im deutschen Sprachraum, das auch auf Portugiesisch erschienen ist, Brasilien zwischen Hoffnung und Illusionen, legt Andrioli eine Sammlung von ausgewählten Artikeln und Analysen vor, die er während der letzten 20 Jahre bei seinen Aufenthalten in Deutschland und Österreich sowie in Brasilien selbst verfasst hat. Schwerpunkte sind die Entwicklung der Arbeiterpartei (PT), ihre Politik unter der Regierung Lula bzw. Dilma Rousseff, die Agrarfrage sowie eine substantielle Kritik am Gensojaanbau in Brasilien und seiner Bedeutung für die EU. Außerdem finden sich Artikel, in denen Andrioli seine ersten Eindrücke in Deutschland und Europa verarbeitet hat. Die brasilianische Version (Que Brasil é esse?) ist wesentlich umfangreicher und erscheint in kürze.
Andriolis Kommentare und Analysen liefern ausgezeichnetes Material zum Thema Gensoja in der Landwirtschaft, helfen aber auch, die jüngere politische und soziale Entwicklung in Brasilien sowie Glanz und Elend seiner politischen Linken zu verstehen. Aus heutiger Sicht könnte man zur Einschätzung gelangen: Nach einem hoffnungsvollen Beginn waren die Regierungen der Linken eine Art langer Vorlauf zum Machtantritt Bolsonaros im Januar 2019, der das Land inzwischen in eine katastrophale Zuspitzung von Sozial- und Umweltkrise getrieben hat. Bedingt durch den kolossalen Rechtsruck im Land und üble Machenschaften des Bildungsministeriums hat Andrioli selbst im vergangenen Jahr seine Stelle als Vizerektor der staatlichen Universidade Federal da Fronteira Sul (UFFS) verloren, an deren Gründungskonzeption er maßgeblich beteiligt war. Auch als Vertreter des Landwirtschaftsministeriums in der Bundeskommission zur Zulassungsbeurteilung gentechnisch veränderten Saatsguts (CNTBio) war er nicht mehr erwünscht.
Antônio Andrioli wurde für sein Engagement und seine kritische wissenschaftliche Arbeit Anfang 2020 mit dem Naturschutzpreis des BUND Bayern ausgezeichnet.
*Antônio Andrioli: Bio-Soja versus Gensoja. Eine Studie über Technik und Familienlandwirtschaft im nordwestlichen Grenzgebiet des Bundeslandes Rio Grande do Sul (Brasilien). Frankfurt a.M.: Peter Lang, 2007.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.