Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2020

…ganz ohne Genehmigung
von Rolf Euler

Wenn Grünheide in der Bretagne läge und Elon Musk Cäsar wäre, welche Comic-Reihe könnte man über die Pläne für die Tesla-Autofabrik machen! Aber so…

Grünheide liegt in Brandenburg vor den Toren Berlins, Autobahn nahe bei, «nur» ein paar hundert Hektar Kiefernwald, allgemeine Euphorie über elektrisch angetriebene Autos, womöglich noch mit autonomen Fahreigenschaften – und eine kleine Naturschutzbewegung, deren Einwände leider ohne Zaubertrank wirken müssen. Der NABU, der BBU und andere Gegner des Fabrikbaus stoßen auf eine vorab realisierte Fällaktion, Setzen von Gründungspfeilern, Baubeginn ohne endgültige umweltrechtliche Genehmigung, eilfertige Planer und Minister sowie unbeantwortete Fragen zum Grundwasserschutz, zur Ersatzpflanzung, zur Lärmbelästigung, zu den Luftemissionen.
Die 406 Einwendungen im Genehmigungsverfahren zur Tesla-Fabrik wurden bei einer Anhörung Ende September, Anfang Oktober nur unzureichend berücksichtigt. Einwender beklagen eine Voreingenommenheit des Verhandlungsführers und die Abkürzung der Anhörung, ohne dass alle Fragen beantwortet wurden.
Tesla hat zwar zugesagt, alles zurückzubauen, wenn eine Genehmigung nicht erfolgen sollte, aber das scheint angesichts der eilfertigen Abwicklung von Einwänden und der Vorfestlegung der politischen Ebenen bis hin zum Bundeswirtschaftsminister nur ein Rauchvorhang zu sein. Ähnliche Erfahrungen machte die Umweltbewegung mit dem Bau des Kohlekraftwerks Datteln 4, dessen Genehmigung noch ausstand, als es schon fertig gebaut war, und das in Betrieb gegangen ist, als noch Klagen anhängig waren.
Bisher ist zwar offen, wann das Land Brandenburg grünes Licht für das Projekt gibt, aber das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ging im Februar auch ohne vorherige Anhörung schon mal davon aus, dass mit einer Genehmigung gerechnet werden könne. Damals wies das Gericht Beschwerden gegen eine vorläufige Rodung von Wald zurück. Seither baut Tesla aufgrund vorläufiger Befugnisse für einzelne Bauschritte.
Tesla kündigte auch an, zusätzlich 100 Hektar Wald für eine Autobahnauffahrt zu roden. Die Einwänder erklärten bei der Anhörung, dass die Wasserentnahme in dem Gebiet, die Rodung von Wald und weitere Massnahmen mit europäischen Naturschutzbestimmungen nicht vereinbar seien. Ebenfalls sei unberücksichtigt, dass bei dem geplanten Wasserverbrauch der Fabrik Salzwasser aufsteigen und das Grundwasser schädigen könne.

Gewerkschaft außen vor?
Die Folgelasten einer großen Autofabrik in der Region sind noch gar nicht abschätzbar. Es geht nicht nur um den Materialzugangs- und Materialabgangsverkehr mit Lkw über die Autobahn, es geht auch um die Anfahrt der Belegschaft. Und es geht auch darum, dass Tesla eine Gesellschaft europäischen Rechts gegründet hat, die nicht den gleichen Sozialbestimmungen unterliegt wie eine AG. Darauf wies in einem Interview der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hoffmann, hin, sagte jedoch auch: «Tesla soll nur kommen», im Sinne von: Wir werden denen zeigen, was hier an Arbeitnehmer- und Mitbestimmungsrechten herrscht. Ob die IGM da nicht nur dicke Backen macht, wird zu sehen sein.
Über den Wahnsinn, zusätzlich Straßen zu Lasten der Natur mit Privat-Pkw zu fluten, wird angesichts versprochener Arbeitsplätze fast gar nicht geredet, und auch nicht über die umweltschädliche Produktion von Lithiumbatterien. Und wo der Strom herkommen soll für die vielen E-Autos… Musk-elspiele in der Mark Brandenburg treffen leider auf keine zaubertrankgestärkten Gegner.

Big Brother
Tesla erhielt gerade auch einen Big-Brother-Award, und zwar für extensive Datenerfassung der Autos und der darin Fahrenden. In der Rede zur Verleihung des Preises zitiert der ehemalige Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert als Beispiel die Vertragsklauseln:
«Bzgl. der Erfassung ‹über Ihr Tesla-Fahrzeug› erhebt die Firma den Anspruch, ‹Telematikprotokolldaten›, ‹Fernanalysedaten›, ‹weitere Fahrzeugdaten›, die ‹Wartungshistorie› sowie ‹Informationen über Ladestationen› als ‹erweiterte Funktionen›, ‹Navigationsdaten› sowie ‹kurze Videoaufnahmen von den Außenkameras des Fahrzeugs› zu erfassen.»
Weichert sagte weiter: «Welche Sensordaten an Tesla übermittelt und gespeichert werden und welche im Auto bleiben und überschrieben werden, bleibt unklar. Die Rechte, die sich die Firma von Elon Musk in den Allgemeinen Geschätsbedingungen einräumen lässt, sind quasi unbegrenzt. Im Sinne des Verbraucherschutzes muss angenommen werden, dass sie alles, was sie in den AGB erklärt, auch zu tun gedenkt. Darin hießt es u.a.: «Mit der Nutzung unserer Produkte oder Dienstleistungen … erklären Sie sich mit der Übermittlung von Informationen von Ihnen, über Sie oder über Ihre Nutzung … in Länder außerhalb Ihres Wohnsitzlandes, einschließlich den USA, einverstanden.»
Diese unbegrenzte Datenübermittlung in die USA ist auch nach dem neuesten Urteil des Europäischen Gerichts nicht erlaubt. Auch in dieser Hinsicht hat sich aber die bisherige Datenschutzpolitik in Deutschland als sehr nachgiebig gegenüber den US-Konzernen gezeigt.

Über die umfangreichen Bedenken und Einwände berichtet der NABU auf der Webseite: www.bi-gruenheide.de/2020/09/25/bericht-des-nabu-fuerstenwalde-2-und-3-anhoerungstag.

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