Wir stellen vor
von Michael Schwarz
Wer tummelt sich eigentlich alles in der Klimagerechtigkeitsbewegung? In den kommenden Ausgaben stellen wir einige Gruppen vor, zunächst solche, die im Rheinischen Revier entstanden sind.
Am Freitag, dem 7.August, war es soweit. Die Klimabewegung kam gerade erst aus dem Corona-Schlaf, da geschahen plötzlich viele Dinge gleichzeitig: In Heidelberg blockierten AktivistInnen die Zentrale von HeidelbergCement, KletterInnen besetzten ein rodungsbedrohtes Waldstück nahe Kiel und über 50 Menschen sperrten die Einfahrten der Rheinland-Raffinerie von Shell. Sogar die Schiffszufahrt wurde mit Kayaks blockiert.
Im Verlauf des Samstags kamen noch mehr Aktionen hinzu: In Mannheim und Berlin wurden Steinkohlekraftwerke besetzt, in Würzburg fand eine Bootsdemo gegen Kohleimporte statt und in Bremen radelten 200 AktivistInnen durch die Innenstadt, um anschließend das Werk von Mercedes Benz zu blockieren. All diese Aktionen, und viele mehr, stellten sich selbst unter das Motto «Aufstand mit Abstand» – obwohl sie nicht gemeinsam organisiert waren oder koordiniert wurden.
Wenige Monate vorher hatte die Gruppe Zucker im Tank (ZimT) zu den Aktionstagen aufgerufen und viele Werkzeuge und Informationen bereitgestellt, die es Gruppen ermöglichen sollten, eigene Aktionen zu planen. Dies fasst den Ansatz der Gruppe bereits gut zusammen: «Durch Zucker im Tank sollen Kleingruppenaktionen ermöglicht, gestärkt und sichtbarer gemacht werden!», schreibt ZimT auf seiner Website.
Angeboten wird alles, was es dazu braucht: Knowhow, Planungswerkzeuge, Beratung, Hilfe bei Veröffentlichung und vieles mehr.
Dies unterscheidet die Gruppe von vielen anderen. Der Fokus liegt nicht auf eigenen Aktionen, sondern darauf, dass andere selbst aktiv werden können, ohne auf Aufrufe zu warten. Die Gruppe sieht darin einen wichtige Baustein für eine starke, handlungsfähige linke Bewegung.
Gegründet hat sich ZimT im Jahr 2016, als die Klimabewegung für den Sommer 2017 große Aktionstage im Rheinland plante. Erstmals würden viele AkteurInnen mit unterschiedlichen Aktionsformen gleichzeitig zusammenfinden. Auch direkte, oft radikale Kleingruppenaktionen sollten dort Raum haben.
Über die Jahre verfolgte die Gruppe diesen Ansatz weiter, entwickelte ein breites Programm an Kursen und Workshops, und veröffentlichte die Broschüre Kämpfe zusammen_führen, die andere Bewegungen wie Feminismus oder Antirassismus mit dem Kampf ums Klima verbindet. «Klimagerechtigkeit» ist der zentrale Begriff, damit einher geht eine Ablehnung der kapitalistischen Wirtschaftsweise.
Auf der Webseite von ZimT finden sich verschiedensten Kurse: «How-to-do-a-Kleingruppenaktion» soll die Grundlagen vermitteln, um mit der Planung einer eigenen Aktion zu beginnen. Tipps dafür, die eigene Aktion in die Zeitung zu bringen, gibt‘s im Pressearbeit-Workshop. Außerdem geht es um Grundlagen des Anarchismus, Vorbereitung auf Aufenthalte auf der Polizeiwache, Wichtiges zu Personalienverweigerung, Infos wie man sich ankettet, und vieles mehr.
Die Gruppe bietet darüber hinaus auch Beratung an, wenn Kleingruppen konkrete Fragen haben. Kontaktmöglichkeiten sind auf der Webseite zu finden. Die Workshops können im privaten Rahmen angefragt, aber auch als öffentliche Veranstaltung auf das eigene Camp oder die eigene Veranstaltung geholt werden.
Gerade arbeitet ZimT auch an der Übertragung der Workshops in ein Webinar-Format, sodass Seminare während Corona über Internet abgehalten werden können. «How-to-do-a-Kleingruppenaktion» und «Pressearbeit» sind so schon verfügbar. Die Klimabewegung wächst zur Zeit massiv – tausende neue, oft junge AktivistInnen wollen sich aktiv beteiligen. Es soll versucht werden, möglichst viele zur Planung von eigenen Aktionen zu ermächtigen. Dafür gibt es gute Kontakte zu Gruppen von Fridays for Future und Extinction Rebellion, die weiter ausgebaut werden sollen.
Michael Schwarz sprach mit der Gruppe ZimT über deren Arbeit. Er ist selbst in der Klimabewegung im Rheinland aktiv.
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