Kahlschlag auf Zeit bei Kaufhof
von Helmut Born
Mitte Oktober wurden die meisten der zur Schließung anstehenden 41 Filialen des Karstadt/Kaufhof-Konzerns sowie zwanzig Filialen von Karstadt Sport dicht gemacht. Im März hatte Eigentümer René Benko, ein österreichischer Investor und Multimilliardär, das Insolvenzverfahren unter dem staatlichen Schutzschirm beantragt.
Nun gab es das bittere Ende für rund 4000 Beschäftigte, während sich für Benko das Verfahren lohnte. Von März bis Mai übernahm der Staat sämtliche Personalkosten und durch das im Juni gestartete Insolvenzverfahren war der Konzern schließlich 2 Milliarden Euro Schulden los.
Benkos Strategie
Ursprünglich hatte Benko die Schließung von 82 Filialen vorgesehen, am Ende waren es 62. Der Grund: Die Filialen, die durch Mietnachlässe profitabler wurden, konnten gerettet werden und die Gewerkschaft Ver.di erklärte, dass sie um jede Filiale kämpfen will. Zudem befanden sich auf der Schließungsliste Filialen, die offensichtlich zu den profitablen gehörten, und es fehlten einige, die Verlust machten.
Es gab so manche Merkwürdigkeiten, die nicht mit den Verlautbarungen übereinstimmten. So wurde im Laufe des Verfahrens bekannt, dass Benko im März 17 Filialen bereits an Inverstoren verkauft hatte. Andere Filialen, wie die «Am Wehrhahn» in Düsseldorf, sind für andere Projekte des Immobilienmoguls Benko vorgesehen. Diese Filiale bzw. das Grundstück gehört seiner Signa Holding und er will an dieser Stelle einen 200 Meter hohen Büroturm errichten lassen. Da auf der Schließungsliste auch Karstadt in Düsseldorf stand und die örtliche Politik durch Ver.di und die Betriebsräte unter Druck gesetzt wurden, entschied sich Benko mit Oberbürgermeister Geisel vertrauliche Gespräche zu führen, um von ihm Unterstützung für dieses Projekt zu bekommen.
Vier Tage vor der OB-Stichwahl am 27.September konnte Geisel den Beschäftigten von Karstadt (2019 wurde die Konkurrenzkette ebenfalls von der Signa Holdung übernommen) verkünden, dass die Filiale nicht geschlossen wird und ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben. Die von Ver.di und den Betriebsräten geforderte Weiterbeschäftigung der KollegInnen von Kaufhof und Karstadt Sport hatte Benko abgelehnt, obwohl es mehrere andere Filialen in der Stadt und der näheren Umgebung gibt.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass Benko einen Mietvertrag unterschrieben hat, der erhebliche Mietsenkungen vorsieht, aber nur eine Laufzeit von drei Jahren hat. So baute er zusätzliches Erpressungspotenzial auf, falls die Stadt seinem Projekt nicht wie vorgesehen ihre Zustimmung erteilt. Ähnlich war seine Strategie in Berlin, wo er mehrere Filialen von der Schließungsliste nahm, als der regierende Bürgermeister Müller ihm zusicherte, dass die Stadt seine Projekte in Berlin «positiv» begleiten würde. Dies gilt vor allem für den geplanten Neubau eines «Luxuswarenhauses» in Kreuzberg, wo es massiven Widerstand seitens der Bevölkerung und des Bezirkes gibt.
Die Zukunft der Warenhäuser
Seit Jahren steht die Zukunft der Warenhäuser zur Diskussion. Dabei wird oft übersehen, dass es die traditionellen Warenhäuser gar nicht mehr gibt und der alte Kaufhof-Slogan «Kaufhof bietet tausendfach – alles unter einem Dach» längst obsolet ist. Spätestens seit den 80er Jahren flogen nach und nach ganze Bereiche wie Möbel, Teppiche, Stoffe, Gardinen oder Heimelektronik aus dem Sortiment. Heute sind selbst Lebensmittelabteilungen die Ausnahme. Im wesentlichen bestehen die Sortimente heute aus Bekleidung aller Art, wozu auch Sportartikel gehören, außerdem Schreibwaren, Süßwaren, Haushaltsartikel sowie Schmuck und Drogerieartikel – hier vor allem Parfums.
Dazu wurden Konzepte entwickelt, die Ware so zu präsentieren, dass die KundInnen alle Informationen zum Produkt bekommt, um Personalkosten einzusparen. Die Beschwerden vieler Kunden über mangelnde Beratung durch Personal ist also durchaus zutreffend. Das ist die Managementstrategie in der Einzelhandelsbranche: Vor allem durch möglichst geringe Personalkosten wollen sie Profite realisieren.
Nun ist Karstadt/Kaufhof als einziger Warenhauskonzern übriggeblieben. Auf der Strecke blieben bzw. wurden einverleibt: Horten durch Kaufhof, Hertie durch Karstadt, Kaufring, Kaufhalle und viele, vor allem regionale Anbieter. In den letzten zwanzig Jahren entstanden viele neue Geschäftsformen, die den Warenhäusern das Wasser abgegraben haben: Drogeriemärkte, Discounter, Textilketten, Elektronikmärkte, Möbelhäuser und Baumärkte, also die sog. Fachmärkte. Zusätzlich wächst der Marktanteil des Onlinehandels.
Die Frage, ob die Warenhäuser überleben, ist also überflüssig, da es sie in ihrer ursprünglichen Form längst nicht mehr gibt. Ob die Strategie von Benko aufgeht, mit immer mehr hochpreisiger Ware ausreichend KundInnen in die Läden zu holen, darf bezweifelt werden. Das stagnierende Einkommen der KundInnen setzt hier Grenzen, zumal er gleichzeitig den Ausbau der Luxuskette KaDeWe betreibt. Wenn es also so weiter geht wie bisher, dass dem unregulierten Kapitalismus keine Grenzen gesetzt werden können, werden diejenigen überleben, die am brutalsten ihre Möglichkeiten nutzen. Das sehen wir schon heute: Unternehmen wie Amazon, die sich nicht an Tarifverträge und Arbeitsschutz halten, die Gewerkschaften und Betriebsräte bekämpfen, die jedes Steuerschlupfloch kennen, setzen sich durch. Da will Benko mit von der Partie sein. Ob es dann noch Galeria Karstadt/Kaufhof gibt, ist ihm egal. Er macht seine Profite dann eben mit Immobilien.
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