An den Rand notiert
von Rolf Euler
Hoffentlich gibt es in nicht allzu ferner Zukunft Bauern und Landwirtschaftsarbeitende, die mit Grausen und fassungslosem Erstaunen auf die Verhältnisse in unseren Schweinegroßställen zurückblicken. In kleinsten Boxen werden Sauen stehend gehalten, bis sie künstlich besamt sind und abgeferkelt haben.
Kleine Ferkel werden massenweise an Züchter verkauft, die in großen Ställen an die tausend und mehr Schweine einige Monate großziehen. Das ist wie bei der industriellen Fertigung – «Just-in-time-Produktion», ein Zyklus, der Schweine nicht als Lebewesen, sondern als Profitmaschine sieht. Wobei die Landwirte damit noch am wenigsten verdienen, sie sind die Vertragslieferanten der Schlachtbetriebe, die gleichzeitig Fleisch- und Wurstgroßbetriebe sind, und Exporteure. Und sie sind oft hoch verschuldet, weil in neue Ställe, Maschinen, Fütterautomaten, Feldbearbeitungsmaschinen usw. viel Geld investiert werden muss, das die Banken mit Zinsen zurückbekommen.
Und nun Corona. Fleischbetriebe können nicht weiterarbeiten, weil sie Corona-Fälle im Betrieb haben. Nicht nur in Coesfeld und Gütersloh, auch in Niedersachsen, wo Großställe gehäuft anzufinden sind. Es wird nicht mehr (so viel) geschlachtet, die Schweinezüchter müssen ihre Schweine länger im Stall halten, die Ferkelzüchter werden die nächste Generation nicht los – und nun? Diese Widersprüche treten gehäuft auf, bringen Landwirte in ökonomische Nöte, von den «armen Schweinen» gar nicht zu reden. Die Schulden drücken, die Pachten sind gestiegen, der Umsatz kommt nicht mehr herein wie geplant. Ein Schweinezüchter berichtet, dass wegen der längeren Tierhaltung in seinen Ställen die Fleischfabrik 20 Euro weniger (!) pro Schwein zahlt, was bei 2000 Schweinen einen Umsatzverlust von 40000 Euro ausmachen wird.
Corona deckt erneut den systematischen Widersinn der Fleischproduktion, der Massentierhaltung auf. Die Kritik daran ist ja nicht neu. Sojaimporte aus Süd- und Nordamerika verschlechtern das Klima. Der Austrag von Kunstdünger und massenhafter Gülle auf den Feldern führt zur Verschlechterung des Grundwassers. Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in den Ställen gefährdet die Behandlung von Krankheiten, weil Resistenzen entstanden sind.
Aber: REWE preist diese Woche «Schweinerouladen aus der zarten Oberschale» für 4,44 Euro das Kilo an! Edeka preist «Frische Bratwurst» für 2,93 Euro das Kilo an! Eine Schande für «Produzenten» und Tiere.
Die Versuche von Bio-Landwirten werden konterkariert durch die EU-Förderrichtlinien. Die Versprechungen der LandwirtschaftsministerInnen – hohle Worte. Wer verdient wirklich an dieser Art Schweinezyklus? Und wer setzt dem ein Ende?
Hoffen wir nicht, dass nach Ende der akuten Pandemie das von allein geschehen würde. Weder die Auto- noch die Schweineindustrie werden sich von allein mäßigen.
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