Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2021

An den Rand notiert
von Rolf Euler

Anfang Dezember kommt viel Papier zusätzlich zur Tageszeitung ins Haus: Vorschläge zum Schenken zu Weihnachten, Mode, Parfum, Uhren, Spielzeug – wer hat, dem wird gegeben…

Mediamarkt zeigt seine Produktpalette, die zu Weihnachten auf immer größeren Bildschirmen mit Fotos von heimeligen Weihnachtsszenen wirbt, Kinder und frohe Erwachsene im Lichterglanz, natürlich elektrisch. Und der neuste «Knüller»: Zu jedem Artikel gibt es etwas «geschenkt»! Zum Kühlschrank eine Kaffemaschine. Zur Kaffeemaschine ein Lichttherapiegerät. Zum Staubsaugerroboter einen Staubsauger. Zum Herd ein Folienschweißgerät. Zum Laptop gibt’s Office 365 dazu. Zum Farbfernseher entweder einen Staubsauger oder einen BlueRay-Player oder ein Smartphone. Und bei jedem Geschenk steht der Preis dabei – den man dann angeblich «gespart» hat.
Nun ist es ja nicht so, als ob die deutschen Haushalte mit Elektrogeräten unterversorgt wären. Oder dass nicht schon genug Elektroschrott auf Recycling bzw. Export warten würde. Oder dass der Stromverbrauch der Haushalte den nötigen CO2-Einsparungen entsprechen würde. Im Gegenteil. Bisher hat schon immer dem Einspareffekt beim spezifischen Stromverbrauch der «Rebound-Effekt» durch die steigende Menge der stromverbrauchenden Geräte entgegengewirkt. Wie toll, dass der Mediamarkt mit seiner reaktionären «Geschenk»-Masche dazu beitragen wird – getreu der inzwischen zwar aufgegebenen, aber weiter wirkenden Reklameparole «Geiz ist geil!»
Die Absurdität dieser Elektroverseuchung wird daran deutlich, dass viele dieser Geräte eine kurze Lebensdauer eingebaut haben, jedes Jahr etwa bei Computern und Smartphones, Fernsehern und Kaffeemaschinen ein neues Modell herauskommt und verkauft werden muss, und dass der Bedarf – was brauchen wir wirklich zum Leben? – durch die Werbung völlig überrannt wird. Man kriegt was geschenkt – ist das nicht toll?
Die Krone wird der ganzen Schenkmasche dann auf der Seite mit der Werbung für X-Box- oder Play-Station-Spiele aufgesetzt. Hier sind bunte Titelfotos der «Spiele» in vielen Reihen aufgelistet. Von rund 80 Spielen haben 25 das Kennzeichen «Ab 18 Jahren freigegeben» – also 30 Prozent sind gar keine Spiele, sondern Kampfplätze mit entweder aktuellen oder mittelalterlichen oder Fantasy-Gegnern, deren Sinn darin besteht, mehrere virtuelle Leben mit Vernichtungsübungen in Kriegsszenen durchzustehen. Da die gegenwärtige Zeit vor allem junge Leute an den üblichen Treffen und sportlichen Aktivitäten hindert, schulische Arbeit oft vor dem Bildschirm stattfindet, sind diese Art Spiele natürlich «tolle» Geschenke als Ausgleich.
Gut dass diese Sorte Werbung – wenn auch mit viel Druckerfarbe – in die Recycling-Tonne geht. 95 (oder mehr) Prozent des darin Angebotenen will man nicht geschenkt haben!

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