Leere Versprechen der Kakaokonzerne
von Larissa Peiffer-Rüssmann
Zu Weihnachten steigt auch der Bedarf an Schokolade. Aber sie hat einen sehr bitteren Beigeschmack, denn entgegen allen Beteuerungen der Schokoladenindustrie ist es in den letzten zwanzig Jahren nicht gelungen, die Kinderarbeit in den westafrikanischen Ländern zu eliminieren.
Allein aus der Elfenbeinküste und Ghana stammen etwa 70 Prozent des in Deutschland verarbeiteten Kakaos. In diesen Ländern arbeiten bis zum heutigen Tag rund 1,5 Millionen Kinder zwischen 5 und 17 Jahren unter mörderischen Ausbeuterbedingungen in den Kakaoplantagen.
Weder die Regierungen noch die Unternehmen haben bis heute etwas gegen die Kinderarbeit in den Kakaoplantagen unternommen, im Gegenteil. Der Anteil der Kinder, die gefährlichen Chemikalien (Pestizide) ausgesetzt sind und zur Ernte mit Macheten eingesetzt werden, ist in den vergangenen Jahren sogar stark gestiegen.
Ein brisanter Bericht des National Opinion Research Center der Universität Chicago vom Oktober 2020 zeigt auf, dass diese Praktiken trotz der Versprechungen der Konzerne sogar noch um 13 Prozent zugenommen haben.
Da die Datenerhebung vor Corona erfolgte, wird davon ausgegangen, dass der Umfang der Kinderarbeit im Zusammenhang mit der Pandemie um bis zu 20 Prozent steigen wird: das sind zusätzlich 300000 Kinder.
Der Bericht bestätigt auch, dass alle freiwilligen Vereinbarungen reine Papiertiger sind. Die Strategie der Konzerne besteht nicht nur darin, alles zu verschleiern, gleichzeitig wollen sie den Eindruck erwecken, dass sie sich intensiv um eine Verbesserung der Situation bemühen.
Die 100 Milliarden schwere Schokoladenindustrie verhindert mit üblen Methoden die Abschaffung der Kinderarbeit, dazu gehören die weltweiten Marktführer wie Nestlé, Lindt & Sprüngli, Mars, Ferrero u.a.. Bis heute sorgen sie nicht für existenzsichernde Einkommen in der kakaoproduzierenden Landwirtschaft, stattdessen investieren sie lieber in PR-Maßnahmen.
Vor zwanzig Jahren wurde das unverbindliche Harkin-Engel-Protokoll der World Cocoa Foundation (WCF) aufgesetzt, vordergründig, um die schlimmsten Formen der Kinderarbeit bis 2005 zu beenden. Dieses Ziel wurde mehrfach verschoben. Gleichzeitig sollte damit jedoch eine klare Gesetzesgrundlage unter Mithilfe zahlreicher Lobbyisten verhindert werden. Ende 2020 müssen wir feststellen: Bis heute konnte das Schlimmste abgewendet werden – nicht für die Kinder, sondern für die US-Geschäfte der Konzerne. Das Scheitern der Ziele erklären sie dreist mit der vorher nicht bekannten Komplexität des Problems. Eine neue Vereinbarung kam auf den Tisch, doch jetzt sollte das revidierte Ziel nur noch die Hälfte der kakaoproduzierenden Gebiete umfassen, aber auch das wurde nicht erreicht. Es kam ein neuer Vorschlag: Von einer siebzigprozentigen Reduktion der Kinderarbeit war jetzt die Rede – bis 2020. Selbst das wurde nicht erreicht!
Eine weitere schockierende Meldung von der Elfenbeinküste macht die Dringlichkeit einer verbindlichen Gesetzeslage noch einmal deutlich: 137 Kindersklaven haben ivorische Behörden Anfang 2020 befreit, die auf Kakaoplantagen zur Arbeit gezwungen wurden.
2019 haben die Niederlande ein Gesetz zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit verabschiedet. Die Unternehmen werden darin zu einer Sorgfaltsprüfung bezüglich Kinderarbeit verpflichtet. Dabei steht u.a. die Schokoladenindustrie im Fokus, die bei Nichteinhaltung mit strafrechtlichen Maßnahmen rechnen muss. Allerdings soll es erst 2022 in Kraft treten.
Die Entwicklungsorganisation INKOTA und das Forum Fairer Handel fordern von der Bundesregierung ein Lieferkettengesetz, das Unternehmen haftbar macht, wenn sie eine Mitverantwortung für ausbeuterische Kinderarbeit tragen. Es darf nicht sein, dass Unternehmen sich durch Missachtung von Menschenrechten Superprofite verschaffen. Umso unverständlicher ist es, dass in Deutschland die Verhandlungen über Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz im Bundeskabinett mehrmals vertagt wurden, weil Wirtschaftsminister Altmaier eine wirksame gesetzliche Regelung weiter blockiert. Das ist die Politik der Großen Koalition!
Dabei wären die Kakaofirmen durchaus in der Lage, faire Preise für ihren wichtigsten Rohstoff zu bezahlen. So hat bspw. Lindt & Sprüngli seine Kapitalgeber mit einer um 75 Prozent höheren Dividende am gestiegenen Gewinn beglückt. Ganz nebenbei: der Konzernchef hat im vergangenen Jahr knapp 3,5 Millionen Franken verdient. Trotzdem beharrt der Schweizer Verband Chocosuisse weiter auf «Freiwilligigkeit».
Ein existenzsicherndes Einkommen würde für die Familien der Kakaobauern nur knapp die Existenz sichern – aber selbst das wird ihnen verwehrt. Da hilft nur ein Boykott, begleitet von vielfältigen Aktionen, die den Skandal verdeutlichen – das wäre ein Anfang. Es geht um die Menschenrechte ausgebeuteter Kinder und nicht um den Schutz der Profite der Schokoladenkonzerne.
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