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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2021

Landwirte zeigen Front gegen Supermarktlobbyismus
von D.M.

Entgegen dem beschönigenden Titel ist das Ziel der neuen Gesetze zur «Förderung und Schutz von Bauern», das im September 2020 in Kraft traten, private Investitionen von Agrarunternehmen aus dem In- und Ausland in die Produktion, Verarbeitung, Lagerung, den Transport und die Vermarktung von Agrarprodukten zu fördern.

Die Regierung hatte die in Indien starken Bauernorganisationen bei der Ausarbeitung der Gesetze weder zu Rate gezogen noch beteiligt. Stattdessen tragen sie die Handschrift der großen Supermarktketten aus dem In- und Ausland. Un­ter anderem sollen damit die indischen Großmärkte umgangen und die Bauern in Indien in die Vertragslandwirtschaft gezwungen werden.
Nach massiven Bauernprotesten und mehreren Spitzengesprächen schlug die Regierung am 21.Januar vor, die Umsetzung der Gesetze vorübergehend auf Eis zu legen, um die Spannungen zwischen der Regierung und den Bauernverbänden abzubauen. Die Landwirte – in Indien bewirtschaften mehr als 80 Prozent von ihnen einen Ackerfläche von weniger als vier Hektar, knapp die Hälfte der indischen Bevölkerung lebt vom primären Sektor – haben den Vorschlag abgelehnt. Sie fordern anstelle dieser Gesetze ein neues, das ihnen überall einträgliche Mindestpreise garantiert.
Seit vielen Jahren machen Supermarktlobbyisten Front gegen die staatlich regulierten Großmärkte. Bis auf wenige Ausnahmen sind Einzelhändler per Gesetz verpflichtet dort einzukaufen. Marktkomitees vergeben Lizenzen an Zwischenhändler. Nur dann können sie landwirtschaftliche Produkte bei den täglichen Auktionen ersteigern. Für einige Feldfrüchte wie Zwiebeln und Kartoffeln gelten für den Ankauf staatliche Mindestpreise, die sie nicht unterbieten dürfen. Außerdem legt das Marktkomitee, das sich aus Lokalpolitikern, Landwirten und Händlern zusammensetzt, für sämtliche auf dem Markt gehandelte Waren Höchstpreise für den Verkauf fest.
Vorreiter für den Angriff auf die staatlich regulierten Großmärkte war der deutsche Metro-Konzern. Bereits 2008 betrieb er einen eigenen Großhandelsmarkt in Kolkata. Damals regierte im Bundesstaat Westbengalen noch eine Linkskoalition, angeführt von der Communist Party of India (Marxist) (CPIM). Das staatliche Marktkomitee verweigerte Metro die Lizenz für den An- und Verkauf von frischen Agrarprodukten.
Eine Reaktion der diplomatischen Vertretung in Kolkata ließ nicht lange auf sich warten. Der deutsche Konsul drohte öffentlich: Sollte die Regierung den Metro-Konzern durch diesen Schritt zur Schließung zwingen, würden in Westbengalen die Totenglocken für sämtliche Investitionen aus Deutschland läuten. Metro sei ein bekannter Name in Deutschland und wenn der Konzern sein Geschäft hier nicht abwickeln könnte, würden auch andere Unternehmen dem Beispiel folgen und woanders investieren. Die Drohung wirkte. Noch am gleichen Abend umging der Ministerpräsident des Bundesstaats die Entscheidung des Komitees und ordnete an, die Lizenz auszustellen.

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