In Chicago stimmt die Mehrheit gegen Präsenzunterricht
von Violetta Bock
Eigentlich waren die LehrerInnen in Chicago aufgefordert, am 25.Januar in die Schulen zurückzukehren, um den Präsenzunterricht vorzubereiten.
Die Angestellten wurden im letzten Herbst in die Schulgebäude zurückbeordert, gefolgt am 4.Januar von den Vorschul- und Sonderpädagogen und am 11.Januar von ihren Schülern – Klassenstufe für Klassenstufe. Beantragte Freistellungen wegen der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe wurden vielfach abgelehnt. Das stößt auf große Unzufriedenheit.
Das gesamte System ist so konzipiert, dass es einzelne dazu zwingt, Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Über Facebook und Zoom tauschten sich Pädagogen darüber aus, wie sie sich organisieren könnten, um den Zutritt zu verweigern. Erst kamen 30, dann 100. Unterschiedlichste Aktionen an den Schulen wurden durchgeführt. Die Mitarbeiter der Brentano Math and Science Academy unterrichteten ab dem 4.Januar – dem Tag, an dem sie zurückbeordert wurden – außerhalb des Schulgebäudes mit ihren Laptops, trotz Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.
«Wir sind alle verängstigt. Alle unsere Familien sind direkt von Covid betroffen – durch Verlust und Krankheit», wird die Vorschullehrerin Kirsten Roberts in einem Artikel auf Labor Notes zitiert. Andere führten ihre eigenen Sicherheitschecks durch.
Die Schulbehörden reagierten sehr harsch, sperrten teils den Zugang zur Onlinelehre. Bei Suder Montessori kauften die Pädagogen ihre eigene Schutzausrüstung und benutzten eine von der Chicagoer Lehrergewerkschaft CTU zur Verfügung gestellte Checkliste, um Sicherheitsinspektionen durchzuführen.
Pädagogen an anderen Schulen setzten sich während des Fernunterrichts Masken auf, damit die Eltern eine bessere Vorstellung davon bekämen, was die Schüler im Klassenzimmer erleben würden. Einige planten, sich vor der Rückkehr in die Schule testen zu lassen, was zur Folge hatte, dass sie sich so lange außerhalb des Gebäudes aufhalten mussten, bis die Ergebnisse negativ zurückkamen.
Die CTU fordert Tests, Kontaktverfolgung, Impfungen für Pädagogen und anderes Schulpersonal sowie die Durchsetzung von Sicherheitsprotokollen wie angemessene Schutzkleidung, Luftqualitätssysteme und Reinigungspläne, bevor die Pädagogen wieder in die Gebäude gehen. Darüber hinaus fordert sie Mitsprache auf schul- und stadtweiter Ebene. Doch die Bürgermeisterin hat sich geweigert, über einen Wiedereröffnungsplan zu verhandeln. Stattdessen wird das Infektionsrisiko an Schulen heruntergespielt.
Die CTU startete ein Referendum. «Wir können um Schutz betteln oder ihn gewinnen», meint der Gewerkschafter Stacy Davis Gates. Am 24.Januar lag das Ergebnis vor. 86 Prozent der 25000 gewerkschaftlich organisierten LehrerInnen stimmten bei der elektronischen Wahl ab. 71 Prozent stimmten gegen Präsenzunterricht und signalisierten, dass sie an diesem Tag nicht zur Schule kommen würden. Die Schulbehörde reagierte prompt und verschob den Schulstart um zwei weitere Tage, um Hygienepläne auszuarbeiten. Es wird nun also zu Verhandlungen kommen.
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