Initiative für einen Klima-BürgerInnenrat in Deutschland
von gk
Am 25.Januar war es so weit: Zwei Sprecher der Initiative «Klima-Mitbestimmung-jetzt» stellten im Bundestag ihre Petition für einen Klima-BürgerInnenrat vor.
Bereits Ende November hatte die Initiative zusammen mit Fridays for Future und Extinction Rebellion einen offenen Brief mit dieser Forderung der Vorsitzenden des Umweltausschusses im Bundestag überreicht, den Brief haben 184 Organisationen unterzeichnet.
Der Hintergrund: Der Bundesregierung gelingt es seit Jahrzehnten nicht, der Umwelt- und Klimakrise angemessen zu begegnen. Auch das 2019 verabschiedete Klimapaket führt nicht zu den großen gesellschaftlichen Veränderungen, die aus Sicht der Wissenschaft notwendig sind, um die verbindlichen Pariser Klimaziele zu erreichen und die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen.
Das Anliegen der Petition, die statt der 50000 erforderlichen Einzelunterschriften innerhalb weniger Wochen sogar 70000 sammeln konnte, lautet: Es soll eine sozial gerechte Antwort auf die Klimakrise formuliert werden, die den wissenschaftlichen Erkenntnissen endlich Rechnung trägt und gleichzeitig BürgerInnen aktiv an der Lösungsfindung beteiligt.
«Beim Klimaschutz treffen brennende ökologische Fragen auf wirtschaftliche Interessen und soziale Konflikte», heißt es in der Petition, «für viele Menschen sind gesellschaftliche Veränderungen mit Bedenken verbunden, z.B. in bezug auf ihren Arbeitsplatz oder ihren Lebensstil.»
Die Suche nach einem Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen kann für den Klimaschutz kontraproduktiv sein, das sogenannte «Klimapaket» ist ein Ausdruck dessen. Selbst wenn sie guten Willens sind: ParteipolitikerInnen fällt es schwer, diese Jahrhundertaufgabe anzugehen. Während sich die negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung erst in den kommenden Jahrzehnten gänzlich zeigen werden, steht die nächste Wahl in wenigen Jahren an. Wer also ambitionierte Maßnahmen im Interesse zukünftiger Generationen oder gar im Sinne der Klimagerechtigkeit umsetzen will, zieht schnell den Unmut vieler WählerInnen auf sich.
Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Um die Folgen der Klimaerhitzung abzumildern, sind drastische Schritte nötig, die alle Menschen betreffen, etwa bei Mobilität, Reisen oder Ernährung. Deshalb sollen diese in klimapolitischen Fragen mehr mitbestimmen dürfen. Das ist das Anliegen der Petition und des offenen Briefs.
Nach Einberufung des Rats durch die Bundesregierung sollen zunächst Einladungen an BürgerInnen verschickt werden, die per Losverfahren ausgewählt wurden. Von denen, die teilnehmen wollen, werden wiederum etwa 150 Personen ausgewählt, die in bezug auf Alter, Geschlecht, Wohnort, politischer Einstellung, Migrationshintergrund und beruflicher Qualifikation die deutsche Gesellschaft widerspiegeln. Gemeinsam mit einem ExpertInnengremium aus Wissenschaft und Politik soll der Rat an sechs Wochenenden in sechs Monaten diskutieren und der Regierung schließlich gemeinsame Handlungsempfehlungen überreichen.
«Der Bundestag möge sich verpflichten, die Vorschläge des BürgerInnenrats in seiner Gesetzgebung zu berücksichtigen», stand in der Ursprungsversion der Petition. Bei der Anhörung hätten die Antragsteller diese Forderung allerdings entschärft, so der Berichterstatter des Bundestags. Die Entscheidungen des Bürgerrates seien lediglich als Empfehlungen an die Abgeordneten zu verstehen.
Von «Mitbestimmung» kann also keine Rede sein. Aber die InitiatorInnen versprechen sich vor allem eine größere Akzeptanz der Klimapolitik in der Bevölkerung. Deshalb müsse der Rat klaren Kriterien folgen: Die Vorschläge sollten möglichst konkret ausfallen, bis hin zu Gesetzesentwürfen. Die Arbeit müsse transparent dokumentiert und über Öffentlichkeitsarbeit vermittelt werden. In einer Konsultationsphase soll die Zivilgesellschaft dann weitere Vorschläge einbringen können.
Bei anwesenden PolitikerInnen im Bundestag stieß die Petition auf grundsätzliche Zustimmung. Die Rolle und Funktion dieses Bürgerrates müsse allerdings klar definiert werden. Ministerialrat Olaf Wißmann, Leiter des Referats Parlamentsrecht im Bundestag, warnte vor einer Frustration der beteiligten BürgerInnen, sollte der Bundestag die Empfehlungen nicht aufgreifen.
Vorbild der Initiative sind unter anderem die klimapolitischen Empfehlungen des französischen BürgerInnenrats, der aus den Gelbwestenprotesten entstanden ist. Sie liegen seit Mitte 2020 vor.
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