Angela Bankert will Spitzenkandidatin der LINKEN.NRW werden
Gespräch mit Angela Bankert
In der LINKEN in Nordrhein-Westfalen ist die Debatte über die kommende Bundestagswahl in vollem Gang. Insbesondere der Spitzenplatz für die Landesliste ist umstritten.
Für die SoZ sprach Violetta Bock mit Angela Bankert, die sich um diesen Platz bewirbt. Andere Bewerberinnen gibt es bis Redaktionsschluss offiziell nicht, aber große Teile der LINKEN in NRW gehen davon aus, dass Sahra Wagenknecht noch einmal diese Kandidatur wahrnehmen wird, zumal der Landesvorstand sie in einem «Meinungsbild» darum gebeten hat.
Angela Bankert, Jg. 1956, ist Mitglied im Kreisvorstand DIE LINKE.Köln mit den Schwerpunkten Verkehrspolitik und Finanzpolitik (hier Vermögensabgabe/Umverteilung) der GEW sowie der Antikapitalistischen Linken (AKL) und der Sozialistischen Alternative (SAV).
Du hast vor ein paar Wochen bekannt gegeben, in NRW auf Listenplatz 1 und gegebenenfalls als Alternative zu Sahra Wagenknecht zu kandidieren. Warum?
Ich bin seit 2004 dabei und habe den Landesverband der Vorgängerpartei WASG mitgegründet. Ich habe in der Vergangenheit die verschiedensten Delegiertenmandate und Funktionen auf Landesebene wahrgenommen. Der NRW-Landesverband wurde früher vom politischen Gegner «Hort des Wahnsinns» genannt, weil er rebellisch und antikapitalistisch ausgerichtet war. Ich fand das immer eine Ehrenbezeichnung und möchte auch in keinem anderen Landesverband sein. In meinem Kreisverband Köln bin ich im Vorstand. Diese Verankerung in der Partei halte ich für eine wichtige Voraussetzung für eine Spitzenposition.
Ebenso wichtig ist mir die Verankerung in Bewegungen vor Ort. Über gewerkschaftliche Themen hinaus bin ich in der Klimaschutz- und Verkehrswendebewegung aktiv. Ich bemühe mich da insbesondere um Kooperation mit den Gewerkschaften.
Ich lese in letzter Zeit verstärkt, die LINKE sei abgehoben, spreche nicht mehr die Sprache der normalen Leute, sei eine Partei der Besserverdienenden und Bessergebildeten. Als jemand, die aus einem sozialdemokratischen Arbeiter:innenhaushalt kommt, die seit dem ersten Arbeitstag gewerkschaftlich organisiert und aktiv ist, halte ich mich für sehr geerdet. Mit den Menschen sprechen sollte übrigens nicht verwechselt werden mit «für» sie zu sprechen. Ich verstehe mich nicht als «Fürsprecherin für Arme», sondern versuche immer, Menschen darin zu ermutigen und zu unterstützen, dass sie sich für ihre Interessen aktivieren und organisieren. Mein Anliegen ist es, Selbstermächtigung zu befördern und Wirkmacht erfahrbar zu machen. Zum Beispiel als Organizerin im Amazon-Projekt von Ver.di oder als GEW-Sekretärin beim Organisieren des vierwöchigen KiTa-Streiks.
Sahra Wagenknechts Positionen sind in und außerhalb der Partei umstritten. Für welche Alternative stehst du?
Ich stehe für eine bewegungsorientierte Partei, die eine offensive linke Opposition in Parlament und Gesellschaft betreibt und eine Stimme für den Systemwechsel ist. Gegen den Klassenkampf von oben müssen wir Gegenmacht aufbauen.
Die Klasse der Arbeitenden hat sich differenziert, sie ist weiblicher, migrantischer, auch akademischer geworden. Hier gilt es, Spaltungslinien nicht zu vertiefen, z.B. zwischen prekär beschäftigten Akademiker:innen und Logistikbeschäftigten. Die LINKE hat das Konzept einer verbindenden Klassenpolitik entwickelt: gemeinsame Interessen herausarbeiten, um gemeinsame Kämpfe dafür zu führen.
Die ökologische Frage ist eine soziale und systemische Frage, Klimakatastrophen treffen arbeitende und arme Menschen ungleich härter als Begüterte. Ohne Einkommens- und Beschäftigungsgarantien wird man eine breite Mobilisierung für den notwendigen Umbau der kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft nicht erreichen.
Verbindende Klassenpolitik und soziale Klimapolitik sind inzwischen ebenso in der LINKEN verankert wie friedens- und migrationspolitische Positionen. Dies alles muss gerade auch in Spitzenpositionen glaubhaft vertreten werden.
Bei Platz 1 ist es eher ungewöhnlich, dass mehrere Kandidatinnen antreten. Hast du denn eine Chance gegen Sarah oder was willst du mit deiner Kandidatur erreichen?
In einer demokratischen Partei sollte es eigentlich nicht ungewöhnlich sein, dass mehrere Personen für eine Position kandidieren. Niemand kann Anspruch auf einen Dauerplatz erheben. Welche Chancen ich habe, weiß ich nicht, das entscheidet die Delegiertenversammlung.
Ich möchte mit meiner Kandidatur ein Signal setzen, mehr Mut zu radikalen und rebellischen Positionen zu wagen.
Die Frage ist doch: Wohin geht die LINKE?? Wird sie eine derart etablierte Partei, dass ihr niemand mehr den Willen zu grundlegenden Veränderungen abnimmt? Ist ihr hauptsächliches Bestreben, in Regierungspositionen zu kommen? In Landesregierungen zu sitzen, deren Politik sich von anders regierten Bundesländern nur marginal unterscheidet?
Unsere wirtschaftspolitischen Antworten auf den neoliberalen Marktradikalismus können nicht neokeynesianische Konzepte und die Rückkehr zum Sozialstaat der 70er Jahre sein. Das ist im heutigen Stadium des Kapitalismus und Imperialismus utopisch. In Anbetracht der Krise des Kapitalismus ist aus tausend Gründen ein rascher und radikaler Umbau der Wirtschaft nötig. Statt Profitwirtschaft und Ökonomisierung aller Lebensbereiche brauchen wir eine an Gebrauchswerten orientierte, ökologisch wirtschaftende, demokratisch geplante sozialistische Ökonomie. Das sollten wir auch offensiv vertreten.
Wie sind bisher die Reaktionen? Gibt es mehr Anfeindungen oder auch viel Unterstützung?
Die Reaktionen sind natürlich unterschiedlich. Aber gerade aus Bewegungen habe ich viele positive Rückmeldungen erhalten. Eine ganze Reihe Mitstreiter:innen meinten sogar, sie würden sich dann überlegen, die LINKE wieder zu wählen.
Man sollte nicht unterschätzen, wie wichtig für viele Menschen in unserem Umfeld die inhaltlichen Bindungen an die LINKE sind, wichtiger als irgendein «Promi-Faktor». Sie wollen eine Partei, auf die sich sie als Partnerin von fortschrittlichen Bewegungen verlassen können. Das gilt für gewerkschaftliche Kämpfe ebenso wie für Fridays for Future, MeToo, BlackLivesMatter, Seebrücke, Unteilbar. Eine Partei, die ohne Wenn und Aber aufsteht gegen Militarisierung, Auslandseinsätze und Rassismus jeglicher Couleur. Und nicht wenige gehen längst weiter und stellen das System infrage, da brauchen wir mehr Mut zu sozialistischen Antworten.
Wir gehen davon aus, dass für dich die von vielen LINKEN geforderte Befristung der Zeit im Parlament auf maximal zwei Legislaturperioden Gesetz ist – oder fühlst du dich auch als «geborene Parlamentarierin»?
Ich war von 2010 bis 2012 kommunalpolitische Referentin unserer damaligen NRW-Landtagsfraktion. Schon in der kurzen Zeit hat man den ungeheuren Druck gespürt, den das parlamentarische Getriebe auf Abgeordnete wie auch Mitarbeitende ausübt, mich eingeschlossen. Ein Beispiel: Wir waren die kleinste Fraktion und haben die meisten Anträge eingebracht, waren also am fleißigsten. Gebracht hat es nur in den Fällen etwas, wo wir mitgeholfen haben, Skandale aufzudecken. Oder wo wir es mit Außenaktivitäten verbunden haben, wie Aktionen vor Unis für die Abschaffung von Studiengebühren, Proteste am Flughafen gegen Abschiebungen.
Linke Abgeordnete brauchen auf jeden Fall eine ganz enge Anbindung an die Parteibasis und an Bewegungen. Auch eine soziale Anbindung, darum werde ich von den Diäten alles an Partei und Bewegungen abführen, was über ein durchschnittliches Gehalt hinausgeht.
Ich würde ein Mandat nur eine Legislaturperiode ausüben. Viele junge Frauen sind in den letzten drei Jahren in der Partei aktiv geworden, die gilt es zu unterstützen und aufzubauen.
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