Internetnutzung und Energieverbrauch
von Kerem Schamberger*
Wie oft denken wir darüber nach, wieviel Energie das Verschicken einer E-Mail kostet? Oder ein Klick auf YouTube? Und das «Mining» von Kryptowährungen?
Die Corona-Pandemie hat zu einer massiven Verlagerung von Aktivitäten in den digitalen Raum geführt. Treffen finden per Videokonferenz statt, universitäre Seminare werden über Online-Kursmanagementsysteme wie Moodle organisiert, und mit Bekannten kommuniziert man über WhatsApp oder – besser, weil sicherer – Signal. Zudem gibt es seit etwas mehr als zehn Jahren Kryptogeld wie Bitcoin, das auch ohne Pandemie schon immer über das Netz abgewickelt wird.
Die Onlinewelt erscheint uns als eine Sphäre, die scheinbar jenseits jeglicher Materialität existiert. An diesem Eindruck arbeiten ganz gezielt Internetkonzerne wie Amazon, Apple, Facebook, Google (Alphabet) und Microsoft (auch als Big Five bekannt) mit ihren PR-Abteilungen. Die gesellschaftlichen Kosten sollen von den glitzernden Fassaden des Silicon Valley mit ihren eloquenten Managern verdeckt werden. Fragen wir aber, wo die beim Surfen und Streamen entstehenden Datenmengen gelagert werden, wird schnell ersichtlich, dass die Onlinewelt eine massive materielle Seite hat, dies trifft insbesondere auch für Digitalwährungen zu. (Auf die Hardware, mit der wir das Internet nutzen, deren Produktion ja auch Energie verbraucht, gehe ich an dieser Stelle nicht ein.)
Was wir uns nicht bewusst machen
Verschickt ein Mensch eine E-Mail, fällt das energetisch nicht besonders ins Gewicht. Bei mehreren Milliarden Menschen allerdings schon. Im Januar 2020 hatten mehr als 4,5 Milliarden Menschen Zugang zum globalen Netz. In nur 60 Sekunden Internet werden weltweit 41,6 Millionen WhatsApp-Nachrichten verschickt, 347222 Instagram-Stories hochgeladen, befinden sich fast 210000 Zoom-Nutzer zeitgleich in Videomeetings (Stand: September 2020).
Das kostet Energie. Und zwar massiv. Derzeit gehen fast 5 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs auf das Konto von Internet- und Kommunikationstechnologien – fast doppelt so viel wie für den Energieverbrauch des globalen Flugverkehrs. Tendenz stark steigend, sodass bis 2025 mit fast 8 Prozent gerechnet wird (2030 könnten es sogar um die 20 Prozent sein).
Allein die in den USA ansässigen Datenzentren, über die Onlineanrufe laufen, Urlaubsfotos von Facebook gespeichert oder Dropbox-Dateien gelagert werden, verbrauchten 2017 mehr als 90 Milliarden Kilowattstunden Strom. Ein einziges dieser Rechenzentren kann einen höheren Stromverbrauch als eine mittelgroße Stadt haben.
Und so lag 2015 der Energiebedarf aller Datenzentren zusammen um 40 Prozent über dem gesamten Verbrauch Großbritanniens. Mittlerweile gibt es mehr als 500 sog. «Hyperscale Data Center» mit jeweils zehntausenden Einzelservern. Andere Rechnungen gehen von mehr als 6000 großen Zentren aus, wobei unklar bleibt, bis wann ein Datenzentrum klein ist und ab wann es als groß gilt. Zwar verringert das Internet auch den Stromverbrauch bisher analoger Lebens- und Wirtschaftsbereiche, jedoch ist die gesamte Zunahme um ein Vielfaches höher als die Einsparungen.
Und es sind nicht nur Strom, sondern auch andere natürliche Ressourcen wie Wasser, die für das Internet benötigt werden. 2014 wurden alleine in den USA zur Kühlung der dortigen Rechenzentren 100 Milliarden Liter Wasser benötigt, während im globalen Süden oft nicht mal genügend Trinkwasser vorhanden ist.
Zu Corona-Zeiten schossen vor allem Streaming-Dienstleistungen in die Höhe, also die Übertragung und Wiedergabe von Video- und Audiodateien, die in Datenzentren lagern, weil die Menschen zu Hause Netflix oder YouTube schauen. Bereits zu Vor-Corona-Zeiten war das Streamen für über 80 Prozent der Zunahme des Datenverkehrs im Internet verantwortlich. Ein konkretes Beispiel: Das Lied «Despacito», veröffentlicht im Januar 2017, ist mit derzeit rund sieben Milliarden Aufrufen das meistgesehene Musikvideo weltweit. Im April 2018 hat das Streamen nur dieses einen Musikstücks bereits so viel Energie verbraucht, wie 40000 US-Haushalte zusammen in einem Jahr benötigen.
Stromfresser Kryptowährung
Wirft man einen speziellen Blick auf Kryptowährungen, wird deutlich, dass es hier nicht viel besser aussieht. Hier fällt – neben den allgemeinen Onlinetransaktionen – vor allem das sog. Mining ins Gewicht, also das Aufwenden möglichst hoher Rechenleistungen, um nach Kryptogeld zu «schürfen». Die dafür verwendeten Grafikprozessoren haben einen ungeheuren Energieverbrauch. Allein das Schürfen der Bitcoin-Währung verbrauchte 2018 0,33 Prozent der weltweiten Elektrizität. Zusammen mit anderen Kryptowährungen sollen es bis zu 0,5 Prozent des gesamten Energieverbrauchs sein. Derzeit ist das Energievolumen alleine von Bitcoin so hoch wie der Strombedarf von ganz Kolumbien. Wäre die Währung ein Land, würde es auf Platz 40 der am meisten Energie verbrauchenden Nationen stehen.
Allerdings hängt der tatsächliche Energieverbrauch immer auch damit zusammen, wie viele Akteure sich im Geschäft mit den Onlinewährungen engagieren. Denn aus kapitalistischer Sicht ist dies nur an Orten profitabel, an denen die Elektrizitätskosten niedrig sind, wie z.B. in China oder Island. So wurden Ende 2017 drei Viertel aller Bitcoins in China geschürft, mit billigem und umweltzerstörendem Strom aus Kohlekraftwerken in der Mongolei. Für einen dort «geernteten» Coin wird mit einem Ausstoß von 8 bis 13 Tonnen CO? gerechnet.
Wenn die Überlegungen einzelner Länder sowie der EU Wirklichkeit werden, ihre Währung zu digitalisieren, würde das eine neue Dimension des Energieverbrauchs bedeuten. Die Europäische Zentralbank denkt bereits über die Einführung eines Krypto-Euros nach – ob dabei Fragen der Energie und Ökologie berücksichtigt werden, darf bezweifelt werden.
Auch aus dieser Perspektive ist es fraglich, ob die Klimakatastrophe noch abgewendet werden kann. Und das vor allem, weil das gesellschaftliche Bewusstsein über den Energie- und Ressourcenverbrauch des Internets – einschließlich der Kryptowährungen – noch sehr beschränkt ist und es keine Maßnahmen zur strukturellen Einschränkung dieser Form des Energieverbrauches gibt. Zumal die Profiteure dieser vermeintlichen Immaterialität des Netzes auch kein Interesse daran haben, dass sich dies ändert.
*Zuerst veröffentlicht in isw-spezial 34.
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