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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2021

Robert Wallace: Was Covid-19 mit der ökologischen Krise, dem Raubbau an der Natur und dem Agrobusiness zu tun hat. Mit einem Vorwort von Matthias Martin Becker. Köln: Papyrossa, 2021. 206 S., 20 Euro
von Gerhard Klas

Die Corona-Pandemie ist keine Naturkatastrophe. Wie andere Epidemien des 21.Jahrhunderts ist sie eine Folge des menschlichen Raubbaus an der Natur. Das ist die These, die Rob Wallace, US-amerikanischer Evolutionsbiologe und Epidemiologe, in seinem Buch aufstellt.

Er arbeitete unter anderem als Berater für die Vereinten Nationen und die US-Gesundheitsbehörde. Heute entwickelt er Projekte für eine nichtkapitalistische Landwirtschaft.
Rob Wallace forscht seit vielen Jahren zur Entstehung und Bekämpfung viraler Epidemien, beschäftigt sich mit ihren Ursachen, ihren ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Herkömmliche Ansätze bei der Bekämpfung dieser Viren betrachtet der Epidemiologe als zu eng geführt: Wer die Evolution der Virenerkrankungen verstehe, müsse auf mehr setzen als antivirale Mittel, etwa in Form von Impfstoffen. Wir brauchen eine Virologie, «die ihren Blick über das hinaus weitet, was unter dem Mikroskop zu erkennen ist». Kurzum: eine politische Virologie.
Als Antreiber und Ursachen für die viralen Epidemien macht er u.a. die Zerstörung von Regenwäldern und Feuchtgebieten aus, außerdem die industrielle Land- und Viehwirtschaft.
Virenerkrankungen habe es schon immer gegeben. Aber sie seien nicht so häufig zu einer Bedrohung für den Menschen geworden: In den tropischen Regenwäldern etwa finde eine virologische Selbstregulierung statt, die dortige Artenvielfalt funktioniere als Brandschneise gegen Virenerkrankungen. Eine weitere Faustregel: Je mehr Monokulturen in der Züchtung, um so weniger Selbstregulation, umso häufiger entstünden Epidemien.
Die ökonomischen Rahmenbedingungen machen diese Art der Produktion zu einem lukrativen Geschäft, denn die Fleischindustrie muss für die medizinischen Folgekosten nicht aufkommen. In kürzeren, gut verständlich geschriebenen marxistischen Exkursen beschreibt Rob Wallace die industrielle Massentierhaltung als Auswuchs kapitalistischer Mehrwertproduktion. Profite werden gemacht, wenn entweder Löhne gesenkt werden oder die Produktion gesteigert wird – etwa durch schnell wachsende Hybridhühner. Eine Entwicklung, die in den USA ihren Anfang nahm: Seit den 1940er Jahren wachsen die Hühner dort dreimal so schnell und brauchen nur noch die Hälfte des Futters. Diese industrielle Geflügelzucht hat sich heute international durchgesetzt.
Wallace spricht sich dafür aus, Pandemien schon im Vorfeld zu bekämpfen – und nicht erst, wenn sie sich ausgebreitet haben. Letztendlich, daraus macht Rob Wallace keinen Hehl, muss das vorherrschende Produktionsmodell angegangen werden. Die Parallelen zu den Ursachen der Klimaerhitzung sind unverkennbar: Wird der Raubbau an der Natur nicht gestoppt, wird der Klimawandel weitere Opfer fordern und auch die nächste Pandemie nicht lange auf sich warten lassen. Diese Erkenntnis ist das Anliegen dieses Buches, die der Autor mit zahlreichen Beispielen aus seiner wissenschaftlichen Expertise untermauert, gewürzt mit einer ordentlichen Portion Polemik gegen die kapitalistisch organisierte Weltwirtschaft.

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