Wir stellen vor
von Gerhard Klas
Am 17.April, dem Tag der bäuerlichen Landwirtschaft, wird die Bauerninternationale Via Campesina wieder an vielen Orten der Welt mobilisieren.
La Via Campesina («Der bäuerliche Weg») zählt 81 Mitgliedsorganisationen und ist ein internationales Bündnis von Kleinbauern, Landarbeitern, Fischern, Landlosen und Indigenen aus über 80 Ländern, das geschätzt 200 Millionen Menschen vertritt. Das internationale Sekretariat befindet sich nicht in Paris, New York, London oder Genf, sondern zog schon 1996, nach seiner Gründung 1993 im belgischen Mons, in den globalen Süden. Aus gutem Grund: Vor allem in vielen asiatischen und afrikanischen Ländern sind bis heute die meisten Menschen im primären Sektor beschäftigt. Heute hat es seinen Sitz in Harare, Zimbabwe.
Gegründet wurde La Via Campesina, um der neoliberalen Globalisierung, die die (Über-)Lebenschancen von Millionen Kleinbauern beschneidet und den Hunger in der Welt vermehrt, eine starke transnationale Bewegung entgegenzustellen. In Deutschland ist die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitglied und sieht sich als Alternative zum Deutschen Bauernverband, der die Interessen der Großbauern und Agrarindustrie bedient.
Das Konzept
Zentral und politisch handlungsweisend ist das Konzept der Ernährungssouveränität.
«Ernährungssouveränität ist das Recht der Völker auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt. Sie ist das Recht auf Schutz vor schädlicher Ernährung. Sie ist das Recht der Bevölkerung, ihre Ernährung und Landwirtschaft selbst zu bestimmen. Ernährungssouveränität stellt die Menschen, die Lebensmittel erzeugen, verteilen und konsumieren, ins Zentrum der Nahrungsmittelsysteme, nicht die Interessen der Märkte und transnationalen Konzerne», heißt es in «Nyeleni – Deklaration für Ernährungssouveränität». Sie wurde im Februar 2007 in Mali von 500 Teilnehmenden des Ersten Internationalen Forums zur Ernährungssouveränität verabschiedet.
Im Gegensatz zur Ernährungssicherheit, die auch mit grüner Gentechnik erreicht werden soll und Ertragsquantität und finanzielle Verwertung in den Mittelpunkt stellt, umfasst Ernährungssouveränität auch Produktionsbedingungen, Produktqualität und die ungleichen Tauschbedingungen auf internationaler Ebene.
Verfechter sehen ihre Märkte durch Billigimporte zerstört und wollen sie durch Importverbote schützen. Die Privatisierung von Ressourcen gräbt ihnen buchstäblich das Wasser ab. Wegen internationaler Patentrechtsabkommen dürfen sie nicht mehr ihr eigenes Saatgut verwenden.
Ernährungssouveränität ist auch ein Gegenbegriff zur «Grünen Revolution», die seit den 1960er Jahren mit Hilfe von Kunstdünger, Pestiziden und Herbiziden kurzfristige Produktionssteigerungen erzielte. Schädlingsresistenzen, vergiftete, ausgelaugte Böden und abgesenkte Grundwasserspiegel waren der Preis. Diese Schäden und die Folgekosten werden in den Kalkulationen der Agrarindustrie der Allgemeinheit in Rechnung gestellt.
Ernährungssouveränität ist auch eine Kampfansage an die grüne Gentechnik – das globale Agrarkonzept der Welthandelsorganisation und der großen, industrialisierten Agrarexportnationen. Wasser, Saatgut und Land sollen dem Zugriff und der Kontrolle durch große Konzerne entzogen werden; die NahrungsmittelproduzentInnen sollen diese Ressourcen frei nutzen können. Ob der Boden dann genossenschaftliches oder privates Eigentum der Kleinbauern ist, bleibt offen.
Schließlich berücksichtigt das Leitbild Ernährungssouveränität die Interessen von abhängig Beschäftigten und fordert «gerechte Löhne» und «annehmbare Arbeit» für Landarbeiter:innen.
Längst haben andere soziale Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen das Konzept von Via Campesina aufgegriffen; mittlerweile kommt es auch in Debatten von UN-Organisationen und nationalen Regierungen zur Sprache. Einige Staaten – etwa Nepal, Ecuador, Venezuela und Bolivien – haben sie rechtlich verankert, dennoch kommt sie in der Praxis nur ansatzweise zur Geltung, der Staat dominiert noch immer die Lebensmittel- und Agrarsysteme.
Via Campesina ist ein wichtiger Bestandteil des Weltsozialforums, der Klimagerechtigkeitsbewegung und macht sich stark für Frauenrechte. Die aktuelle internationale Koordinatorin ist Elizabeth Mpofu, eine Bio-Kleinbäuerin aus Zimbabwe.
Weitere Infos: https://viacampesina.org/en.
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